Viel hilft viel, weiß der Volksmund. Deshalb ist größer besser und Vollformat MFT überlegen. So etwa das Glaubensbekenntnis vieler Foto-Community-Mitglieder. So weit, so bekannt!
Daran, dass größere Bildsensoren mehr Potenzial in Sachen Bildqualität und Detailschärfe haben, gibt es nichts zu rütteln. Die Frage ist aber, wie groß sind die Unterschiede in der Praxis. Liefert ein viermal so großer Sensor viermal bessere Bilder? Natürlich nicht! Vergleicht man Aufnahmen des gleichen Motivs verschiedener Systeme, stellt man fest, dass Unterschiede die wie Elefanten erscheinen, in der Praxis eher Mücken sind.
Ich vergleiche diesmal meine MFT-Kamera – Olympus OM-D E-M1 III (20MP) – mit Vollformat – Canon R5 (45MP) – und Mittelformat – Fujifilm GFX 50R (51MP). Die beiden Vergleichsmodelle wurden mir wie üblich von Foto-Hebenstreit zur Verfügung gestellt. Als Motive habe ich Locations mit zahlreichen Details gewählt: Eine Kirche als Low-Light-Szenario mit extremem Kontrast, sowie eine Ortschafts-/Landschaftsaufnahme unter Tageslicht – Szenen also, die besonders von hohen Auflösungen provitieren. Die Aufnahmen entstanden, sofern nicht anders angemerkt, mit Stativ.
Die Kirche in Dornbirn Haselstauden zeigt nicht nur außerordentlich viele Details, sondern stellt, wie Kirchen meist, auch hohe Anforderungen an den Dynamikumfang. Aufgenommen wurde mit einer Belichtungskorrektur von –2LW, in Capture One habe ich jeweils Schwarz und Tiefen um +100 angehoben, Lichter und Weiß um –100 gesenkt. Andere Einstellungen wurden keine vorgenommen.
Um die Aufnahmen im Detail anzusehen lassen sich die Bilder per Klick in die Lightbox schicken und mit einem weiteren Klick auf tatsächliche Pixel vergrößern. Außerdem können die Dateien heruntergeladen werden.
Kirche: Mittelformat vs. Vollformat vs. MFT
Die Aufnahme der Fuji GFX 50R oben zeigt klarere Details als jene der Canon R5 unten. Dass Mittelformat Vollformat schlägt, ist wahrscheinlich keine Überraschung. Überraschen mag allerdings der Preisvergleich: Der Body der R5 liegt bei 4500 Euro, das verwendete Zoom kostet rund 2500 Euro. Die Fuji Mittelformatkamera ist um 3700 Euro zu haben ist, die 23mm Festbrennweite kostet knapp 2800 Euro. Preisvorteil für das Mittelformat!
Die Olympus (E-M1 III + 8–25mm ƒ4 = 2800 Euro) kann mit ihren 20MP in diesem Vergleich natürlich nicht gegen die Boliden mit 45MP und 51MP anstinken. In der Praxis werden diese Unterschiede aber wohl erst deutlich, wenn in Formaten von deutlich über A3 gedruckt wird. Aufnahmen der E-M1 lassen sich bis 44×33cm bei 300ppi drucken. Bei der Fuji sind 75×50cm möglich (Auflösung und Druckformat), bei der Canon etwas weniger.
Die üblicherweise empfohlene Druckauflösung von 300ppi ist nur erforderlich, wenn das Druckwerk aus normaler Lesedistanz (≈ 45cm) betrachtet wird. Für Poster im A2-Format wird ein Betrachtungsabstand von mindestens 1m angenommen. Dafür genügen 90ppi – das menschliche Auge ist nicht in der Lage aus dieser Entfernung einen Unterschied zwischen dieser Auflösung und 300ppi zu erkennen. Bei den meisten Motiven ist nicht anzunehmen, dass der Betrachter wesentlich näher tritt, um Details in Augenschein zu nehmen.
Eine Ausnahme bilden Motive, in denen Details eine Zentrale Rolle spielen, wie beispielsweise hier die Aufnahme des Kirchensaals, oder der Ortsansicht weiter unten. Hier ist es sehr wohl möglich, dass sich Betrachter für die Details interessieren und deshalb so nahe treten, dass der Unterschied zwischen 300ppi und 90ppi relevant wird.
Dynamikumfang
Bei meinen bisherigen Vergleichstests die ich zum Thema Dynamikumfang zwischen MFT-, APS-C- und Vollformatkameras angestellt habe, konnte ich keine eindeutigen Unterschiede der Systeme feststellen (u.a. Vergleich: Dynamikumfang und Bittiefe bei Vollformat und MFT). Hier sieht es anders aus: Vergleicht man das Fenster auf der rechten Seite in den drei Aufnahmen, zeigt Canon die meisten Details, beim Bild der Olympus brechen die weißen Flächen hingegen deutlich aus und fressen die Streben dazwischen gleich mit.
E-M1 im High-Res-Modus
Die E-M1 kann nicht nur 20MP, sondern ermöglicht mittels Pixel Shift und Stativ auch Aufnahmen mit 80MP. Die folgenden beiden Aufnahmen stellen eine solche Aufnahme einer Canon-Aufnahme gegenüber.
Man kann darüber streiten, ob die Canon- oder die Olympus-Aufnahme die Feinheiten besser abbildet. Nicht diskutieren muss man hingegen, dass die R5 mit den Kontrasten besser klar kommt und die Details in den Fenstern links und rechts der Orgel ordentlich durchzeichnet, während sie bei der Olympus-Aufnahme ausbrechen.
Zu diesem Vergleich habe ich auch eine Aufnahme mit der GFX 50R erstellt. In der Annahme, dass das Mittelformat damit locker zurecht kommt, habe ich Blende 32 gewählt. Das Resultat fiel so schwammig aus, dass ich es nicht sinnvoll ist sie hier wiederzugeben.
Olympus’ High-Res-Freihand-Modus im Vergleich zu Canon Freihand
Die nächsten beiden Aufnahmen stellen die Olympus im Freihand-High-Res-Modus einer ebenfalls Freihand gemachten Aufnahme der Canon gegenüber.
Anders als auf Stativ ist die Canonaus freier Hand der Olympus trotz hochauflösendem Modus überlegen und zeichnet klarere Details. Den oft beschworenen besseren Kontrastumfang einer OM-D im hochauflösenden Modus kann ich nicht feststellen.
Olympus Low- vs. High-Res
Den praktischen Nutzen von Olympus’ Freihand-High-Res-Modus habe ich bereits mehrfach untersucht und konnte bei keinem Vergleich in der hochauflösenden Aufnahme mehr Details feststellen, als in der 20-MP-Variante. Da mir diesbezüglich wiederholt widersprochen wurde, habe ich auch diesen Vergleich noch einmal angestellt. Das folgende Beispiel zeigt das Motiv das oben im Freihand-High-Res-Modus zu sehen ist, mit der Standardeinstellung und 20MP.
Für einen Vergleich auf Augenhöhe habe ich die 20-MP-Aufnahme auf die 50MP der hochauflösenden Aufnahme interpoliert und in Photoshop so weit als möglich deckungsgleich übereinander gelegt – zu sehen ist dieser Vergleich im Video. Klar besser schneidet die High-Res-Aufnahme in Sachen Bildrauschen ab. Bei diesem Vergleich sehe ich sogar einen winzigen Vorteil der High-Res-Aufnahme in den Details. Ob dieser Unterschied in der Praxis wirklich Relevanz hat, muss jeder für sich entscheiden – in meinen Augen ist er unbedeutend.
Die folgenden Aufnahmen vergleichen die Systeme anhand eines Blicks auf meinen Wohnort Feldkirch. Zuerst noch einmal Olympus’ High-Res-Modus versus Aufnahme in normaler Auflösung. Zuerst Olympus Low- vs. Olympus High-Res, diesmal mit Stativ.
Auch hier habe ich die niedrig aufgelöste Aufnahme auf die Auflösung der hochaufgelösten interpoliert und in Photoshop übereinander gelegt – ebenfalls im Video zu sehen. Der Unterschied ist überschaubarer, als wohl die meisten erwarten würden. Durch das bei Interpolation übliche Nachschärfen wirkt die aufgeblasene Aufnahme schärfer, zeigt allerdings auch die für starke Interpolation typischen Störungsmuster. Durch effizientes Nachschärfen der hochaufgelösten Aufnahme sollte aus ihr mehr herauszuholen sein, als aus der interpolierten Aufnahme in Normalauflösung. Wer diesen Aufwand auf sich nimmt, wird sicher von der hochauflösenden Aufnahme profitieren.
MFT vs. Vollformat vs. Mittelformat – Landschaft/Ortschaft
Kommen wir aber zurück zu MFT vs. Vollformat vs. Mittelformat. Das MFT-Vergleichsbild ist die oben abgebildete Aufnahme. Unten folgen die Aufnahmen mit Canon und Fujifilm.
Wie schon in der Kirche zeigt Fujis Mittelformatkamera die feinsten Details, die Canon-Aufnahme wirkt etwas schwammiger. Die Olympus liegt im hochauflösenden Modus nicht weit dahinter, markiert aber dennoch das Schlusslicht.
Fazit
Physik ist Physik! Die beiden Kameras mit den größeren Sensoren schlagen MFT sowohl in der Detailzeichnung, als auch im Kontrastumfang.
Also doch besser ein Pixelmonster im Voll- oder Mittelformat? Es kommt drauf an!
Wer häufig Motive ablichtet in denen feine Details eine zentrale Rolle spielen und diese regelmäßig in Formaten von weit über A3 druckt, profitiert von größeren Sensoren und hoher Auflösung. Dafür muss man allerdings auch bereit sein entsprechend präzise zu arbeiten. Je höher die Auflösung, desto häufiger wird man ein Stativ einsetzen müssen, um daraus nutzen zu ziehen. Wer zu all dem ja sagen kann, der sollte durchaus auch einmal einen Blick auf Fujis Mittelformatkameras werfen – preislich sollte es sich im Vergleich zur Premiumklasse der Vollformathersteller auch nicht viel schenken.
Alle, auf die das im vorangegangenen Absatz Angeführte eher nicht zutrifft, empfehle ich die Unterschiede in der Detailqualität nicht überzubewerten, denn man muss die Abbildungen schon unter die Lupe nehmen, um die Unterschiede überhaupt erkennen zu können. Aufnahmen in der Tatsächliche-Pixel-Ansicht zu studieren ist schließlich nichts anderes, als unter die Lupe nehmen. Das ist mir erst so richtig bewusst geworden, seit ich mit MacBooks mit Retina-Display arbeiten. Mein aktuelles MacBook hat eine Auflösung von 226ppi, die meisten Monitore liegen hingegen zwischen 100ppi und 120ppi – mein Eizo-Desktop-Bildschirm hat 109ppi. Auf dem Eizo sehe ich deshalb Bilder bei 100% doppelt so groß, wie auf dem MacBook. Unterschiede, die am Desktop unübersehbar sind, kann ich am Laptop kaum mehr ausmachen. Bei einem Standarddruck mit 300ppi fällt die Wiedergabe noch kleiner aus und auch das Druckraster wird dafür sorgen, dass an normalen Monitoren deutlich sichtbare Mängel überhaupt keine Rolle mehr spielen.
Nun spricht grundsätzlich nichts dagegen seine fotografische Erfüllung darin zu finden, unter allen Umständen und auf jeder Zoomstufe die bestmögliche aktuell verfügbare Abbildungs- und Detailqualität zu erzielen. Weniger cool finde ich es daraus ein Glaubensbekenntnis zu machen und missionieren zu gehen.
Abbildungs- und Detailqualität ist ein Faktor einer Kamera bzw. eines Systems unter vielen. Ebenso bilden Geschwindigkeit, Funktionsumfang, Robustheit und Wetterfestigkeit, Bedienkonzept, Ergonomie, Systemgewicht, Preis und vieles mehr Kriterien die in der Fotografie eine Rolle spielen. Wer all das der theoretisch bestmöglichen Detailqualität unterordnet, setzt verkehrte Prioritäten, vor allem dann, wenn er oder sie diese noch nicht einmal benötigen, weil man eher selten Motive ablichtet, bei denen sie relevant wäre, man kaum einmal über A3 ausdruckt und/oder nicht die Muße hat den hohen Anforderungen entsprechend zu fotografieren.
Auf mich trifft vor allem zu, dass ich kaum über A3 drucke und zu bequem bin, den Aufwand zu treiben, den die hochauflösenden Boliden fordern. Auch wenn ich in Fototechnik recht gut bewandert bin, halte ich mich für keinen besonders guten Fotografen. Nicht, weil ich es nicht könnte, sondern weil ich ein Faultier bin. Exzellente Aufnahmen sind meist Ergebnis von viel Vorbereitung, Arbeit und Geduld.
Bemerkenswerte Fotos leben in allererster Linie von einem interessanten Motiv und gekonnter Gestaltung. High-End-Fotoausrüstung kann dem unter Umständen für große Reproduktionen den letzten Schliff verleihen. Doch kein Foto wird durch exzellente Fototechnik bemerkenswert, wenn das Motiv uninteressant und/oder die Gestaltung mäßig ist. Es macht absolut keinen Sinn in eine Ausrüstung der Champions-League zu investieren, wenn man selbst (noch) in der Regionalliga spielt. Tatsächlich arbeiten sogar oft Foto-Champions mit APS-C- oder MFT-Systemen, weil sie es verstehen, zwischen Abbildungsqualität und allen anderen Kriterien die ein System ausmachen, die richtigen Prioritäten zu setzen.
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