Eine wesentliche Überlegung wenn ich etwas fotografiere und nach dem optimalen Blickwinkel suche ist: Wo hat das Objekt seine Augen?
Grundsätzlich lässt sich das Interesse eines Betrachters folgendermaßen auf den Punkt bringen: Was den Menschen am meisten interessiert ist der Mensch. Was den Menschen am Menschen am meisten interessiert ist das Gesicht. Was den Menschen am Gesicht am meisten interessiert sind die Augen.
Nichts berührt uns mehr als ein Blick. Vor allem wenn er uns direkt in die Augen blickt und nicht an uns vorbei oder zur Seite. |
Was können wir daraus ableiten? Wenn Augen im Bild sind müssen sie scharf und deutlich abgebildet sein. Besonders Unschärfe wird bei den Augen des Hauptdarstellers einer Szene so gut wie immer als Fehler empfunden.
Diese Regel darf keinesfalls nur auf menschliche Gesichter angewendet werden. Ganz egal ob man Männer, Frauen, Kinder, Pferde, Hunde, Katzen, Hamster oder Bienen fotografiert – wenn Augen auf dem Bild sind müssen sie scharf sein. Das gilt auch für unbelebte Objekte wie Skulpturen.
Ich finde den Kerl ja phantastisch. Leider liegt der Fokus etwas zu weit vorne. Auf der Nase. Die Augen sind unscharf. Liegt der Fokus nur geringfügig vor oder hinter der Stelle, an der er liegen sollte, wird ein Foto immer als misslungen empfunden. |
Es gibt aber auch Dinge, die eigentlich kein Gesicht haben, in denen wir aber trotzdem eines sehen. Bei Häusern ist das zum Beispiel relativ häufig der Fall.
Ich glaube es fällt nicht schwer hier ein Gesicht zu sehen. Wahrscheinlich fällt es sogar schwer das Gesicht nicht zu sehen. |
Zwar darf die Regel, dass Augen immer scharf sein müssen, bei Objekten, die ein Gesicht zu haben scheinen, aber nicht wirklich eines haben, lockerer gesehen werden. Doch es schadet nichts bei jedem Motiv die Überlegung mit einzubeziehen: Wo hat das Objekt seine Augen? Und wohin blicken sie?
Das führt uns zur nächsten Überlegung, dass die meisten Motive am besten zur Geltung kommen, wenn man sie aus Augenhöhe fotografiert – also mit diesen Objekten auf Augenhöhe geht.
Die zarte, verwelkende Blüte und der eiserne, kalte Drahtzaun. Hätte ich die Blume nicht aus Augenhöhe fotografiert wäre die Perspektive langweilig ausgefallen und die Betonmauer darunter sichtbar gewesen. |
Gerade bei kleinen Objekten führt das Fotografieren aus Augenhöhe zu ungewöhnlichen Ansichten die ein Foto interessanter machen, als wenn man aus dem gewöhnlichen Blickwinkel eines Erwachsenen fotografiert. |
Kinder und Haustiere | Ähnliches gilt für das Ablichten von Kindern und Haustieren (die kleine Klasse Haustiere, wie Hamster, Katzen und Hunde, nicht die, die unseren Kopf überragen können, zum Beispiel Pferde).
Ich amüsiere mich immer etwas über Fotografen, die mit Spiegelreflexkameras und professioneller Ausrüstung durch die Gegend marschieren und Kinder, Tiere und Blumen aus der Perspektive heraus ablichten, aus der heraus sie gerade auf diese Motive aufmerksam wurden. Eine bessere Möglichkeit alltägliche und langweilige Fotos zu machen gibt es kaum.
Ein Hundeleben, immer von oben herab angesehen zu werden. |
Begegnung auf Augenhöhe macht Tierbilder spannender. |
Die beiden Abbildungen oben veranschaulichen deutlich um wie viel besser tierische Modelle zur Geltung kommen, wenn man sie nicht aus der langweiligen Durchschnittsmenschenperspektive ablichtet, sondern sich mit ihnen auf Augenhöhe begibt. Gute Fotografie verlangt eben auch Beweglichkeit vom Fotografen.
Wer mit Kindern auf Augenhöhe geht betrachtet sie auch mit ihren Augen. |
Alternativ bietet sich allerdings auch die ungewöhnlichen Perspektiven steil von oben herunter an (Abbildung 2.26) – die kleinen Kinder wirken dann wie Zwerge – oder von tief unten hinauf (Abbildung 2.25) – das macht aus den Kindern Riesen. Auf jeden Fall müssen Sie sich bewusst sein: Alltägliche Blickwinkel auf alltägliche Motive erzeugen Allerweltsbilder.
So sehen wir Erwachsenen Kinder üblicherweise – leicht von oben herab. |
Aus dieser Perspektive sehen Kinder aus wie Zwerge. Die Aufnahme hat bedeutend mehr Witz als die Abbildung oben – das finden auch die Kinder. |
Von unten hinauf hingegen werden die Kinder ganz groß – das gefällt ihnen noch mehr. |
Noch kleiner als Kinder. Aber auch er sieht interessanter aus, wenn man ihn nicht einfach gewöhnlich von oben herab fotografiert. |
Auch Dinge haben ein Gesicht. Bei Autos wissen wir das seit Disney. Wenn ihr nicht wisst, was alles ein Gesicht hat, dann schaut doch einmal bei »Dinge mit Gesicht« auf FaceBook vorbei. |
Der Inhalt dieser Online-Fotoschule ist in erweiterter Form auch als Buch erhältlich: »Die kreative Fotoschule – Fotografieren lernen mit Markus Wäger« Rheinwerk-Verlag 2015, 437 Seiten, gebunden, komplett in Farbe ISBN 978-3-8362-3465-8 Buch: 29,90; E-Book: 24,90 Weitere Informationen und Demokapitel auf der Website des Verlags; Affilate-Link zum Buch bei Amazon. |
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