Bevor die Elektronik Einzug in Kameragehäuse hielt, waren Fotoapparate nicht in der Lage die Belichtung automatisch zu messen. Der Fotograf war darauf angewiesen die Lichtsituation selbst nach Gefühl zu schätzen und die Zeit/Blenden-Kombination entsprechend dieser Einschätzung einzustellen. Oder er hatte einen Belichtungsmesser.
Belichtungsmesser |
Heute befindet sich die ganze Elektronik zur Messung der Lichtsituation und der Belichtung in der Kamera, obwohl Profis nach wie vor auf die punktgenaue Messung mittels spezieller Geräte vertrauen. Das Resultat der Messung wird je nach Kamera im Sucher, auf einem LCD-Display oder am Kamera-Display angezeigt.
Lichtwert-Skala
Die Belichtungsmessung wird meist in Form einer Skala dargestellt.
Lichtwert-Skala, ›mittlere‹ Belichtung und ƒ-Stops |
Der Nullpunkt ➀ zeigt eine neutrale Belichtung an (Zone 5). Schlägt die Skala in keine Richtung aus, erachtet die Kamera die Belichtungseinstellung für optimal. Die kleinen Punkte der Skala markieren die so genannten ƒ-Stops ➁. Diese markieren eine Verdoppelung beziehungsweise Halbierung der Belichtung (also je einen ganzen Lichtwert).
Entspricht die Lichtsituation, die vom Belichtungsmesser gemessen wird, nicht mittlerer Helligkeit, schlägt die Waage in die eine oder andere Richtung aus. Überbelichtung wird durch ›+‹ gekennzeichnet, Unterbelichtung durch ›–‹. Ob positive Werte links oder rechts stehen, ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich und lässt sich zum Teil auch konfigurieren.
–2LW unterbelichtet |
In der Abbildung oben schlägt der Balken um sechs Punkte zum zweiten ƒ-Stop in den negativen Bereich aus ➂. Jeder Punkt unten in der Skala ➃ steht für 1/3 Lichtwert. Ein Ausschlag um zwei ƒ-Stops in den Minus-Bereich zeigt eine Unterbelichtung um –2 Lichtwerte an.
+1/3LW überbelichtet |
Die Abbildung zeigt eine leichte Überbelichtung um +1/3Lichtwert an ➃.
Wenn man in einem der automatischen Belichtungsmodi arbeitet, wird die Kamera dafür sorgen, dass die Waage der Skala am Nullpunkt auf mittlere Helligkeit ausbalanciert ist. Wenn man die Belichtung mit Manuell (M) eigenhändig steuert, dann muss man die Einstellungen für Blende und Zeit selbst vornehmen. In der Regel stellt man dann Belichtungszeit und Blende so ein, dass die Waage annähernd ausgeglichen wird.
Beispiel: Um eine Unterbelichtung um –2 Lichtwerte zu korrigieren, wird a) entweder die Blende um +2 (ganze) Blendenschritte geöffnet, oder b) die Belichtungszeit vervierfacht, oder c) die Empfindlichkeit vervierfacht. Oder ein Mix aus diesen Möglichkeiten.
Noch ein Beispiel: Um eine Überbelichtung um +1/3LW auszugleichen, muss entweder die Blende um –1/3 Blendenschritt geschlossen, die Zeit um –1/3 verkürzt oder der ISO-Wert um –1/3 verringert werden.
Um die Belichtung mit Hilfe der Elektronik der Digitalkamera zu messen, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung.
Mittenbetonte Messung
Icons mittenbetonte Messung: Canon, Nikon, Olympus, Pentax, Sony |
Bei der mittenbetonten Messung wird in der Regel ein Bereich im Zentrum des Bildfeldes zur Berechnung der Helligkeit heran gezogen, der meist etwa 75 % des gesamten Bildausschnitts einnimmt. Zwar werden auch Randbereiche mit in die Berechnung aufgenommen, aber die Priorität liegt im Zentrum.
Wie groß der Bereich tatsächlich ist, auf dem die Priorität liegt, unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller und eventuell auch von Kamera zu Kamera. Auch in welchem Verhältnis die Gewichtung zwischen Zentrum und Rand verteilt ist, entscheiden die Hersteller nach ihren eigenen Vorstellungen.
Während bei anderen Messmethoden das Zentrum der Messung auf dem ausgewählten AF-Messfeld liegen kann, sollte es bei dieser Messmethode immer in der Mitte des Bildfeldes liegen.
Obwohl das Prinzip sehr simpel ist, funktioniert es in der Praxis recht gut und ist für die meisten Szenen und Situationen gut geeignet.
Spotmessung
Icons Spotmessung: Canon, Nikon, Olympus, Pentax, Sony |
Während bei der mittenbetonten Messung etwa zwei Drittel des Bildausschnitts zur Messung der Helligkeit heran gezogen werden, ist es bei der Spot-Messung lediglich ein mehr oder weniger kleiner Punkt um das ausgewählte AF-Messfeld.
Bei der mittenbetonten Messung wird der Bereich in der Mitte mit höherer Gewichtung in die Berechnung der Belichtung einbezogen, egal welches Messfeld gerade aktiv ist. |
Bei der Spotmessung wird innerhalb eines kleinen Bereiches um das ausgewählte AF-Messfeld gemessen. |
Messmethoden, die wie mittenbetonte oder Mehrfeldmessung den größten Teil des Bildfeldes zur Berechnung der Helligkeit heran ziehen, erreichen eine relativ hohe Trefferquote bei der Ermittlung der optimalen Belichtungseinstellung. Der kleine Punkt, anhand dessen die Spotmessung die Helligkeit ermittelt, führt hingegen überwiegend zu Fehlbelichtungen, wenn man mit dem Spot nicht sehr bewusst und gekonnt arbeitet.
Ich nutze die Spotmessung manchmal im manuellen Belichtungsmodus – vor allem, wenn ich im Freien unterwegs bin. Dann messe ich einmal auf den Himmel . Bei der Messung auf den Himmel darf der Belichtungsmesser ohne Weiteres zwei Drittelschritte in Richtung Überbelichtung ausschlagen, ohne dass es tatsächlich zu einer Überbelichtung in der Aufnahme kommt. Überbelichtung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass dadurch Bildbereiche tatsächlich überbelichtet ausfallen – also in reinem Weiß von Zone 10 landen und ausbrechen – sondern, dass ein Bildbereich heller (über)belichtet ist als mittlere Helligkeit.
Spotmessung auf den Himmel |
Nach der Messung der Lichter messe ich auch auf die Schatten des Motivs. Diese fallen allerdings während des Tages auch bei bedecktem Himmel oft mehr als zwei Lichtwerte unterbelichtet aus.
Spotmessung |
Hilfreich kann die Spotmessung auch in Situationen mit extremen Kontrasten (zum Beispiel) zwischen Vordergrund und Hintergrund sein.
Meine Kamera erlaubt es die Spotmessung auf eine Sondertaste zu legen. Das hat den Vorteil, dass ich permanent mit der von mir bevorzugten, mittenbetonten Messung arbeiten kann, bei Bedarf aber nur die Funktionstaste drücken brauche, um für einen Moment die Spotmessung für einen kleinen Messbereich zu aktivieren. Lasse ich die Funktionstaste wieder los, schaltet die Kamera zurück auf mittenbetonte Messung. Das ist bequemer, als tatsächlich zwischen Spot- und mittenbetonter Messung umschalten zu müssen.
Mehrfeldmessung
Icons Mehrfeldmessung: Canon, Nikon, Olympus, Pentax, Sony |
Für Einsteiger und Gelegenheitsfotografen ist die Mehrfeldmessung (bei Nikon ›Matrixmessung‹ und bei Olympus ›Digitale ESP-Messung‹ genannt) die komfortabelste Methode die optimale Belichtung ermitteln zu lassen. Bei dieser Messmethode kommt eine ganze Reihe an Messfeldern, verteilt über den ganzen Bildbereich, zum Einsatz. In der Regel ist diese Messung mit einer Datenbank im Speicher der Kamera verknüpft, womit ermittelt werden soll, um welche Art Motiv es sich handelt. Somit kann die Kamera natürlich individueller und intelligenter auf Szenen unterschiedlicher Lichtsituationen eingehen.
Dass die Mehrfeldmessung für Einsteiger und Amateure interessant ist, bedeutet nicht unbedingt, dass sie nicht auch von Profis und Semiprofis genutzt wird. Auch wenn ich schätze, dass der überwiegende Teil der professionellen Fotowelt mit mittenbetonter Messung arbeitet, so weiß ich doch von einigen erfahrenen Fotografen, dass sie die Mehrfeldmessung bevorzugen.
Ich habe einmal den Rat gehört, dass man sich im Großen und Ganzen auf eine Methode konzentrieren soll. Nutzt man immer die gleiche, arbeitet die Kamera immer nach demselben Prinzip, und man entwickelt ein besseres Gefühl für die Resultate. Mir würde kein Grund einfallen, weshalb man ein Mal mittenbetont und ein anderes Mal mit Matrixmessung messen sollte. Also würde ich mich dem Rat anschließen.
Der Inhalt dieser Online-Fotoschule ist in erweiterter Form auch als Buch erhältlich: »Die kreative Fotoschule – Fotografieren lernen mit Markus Wäger« Rheinwerk-Verlag 2015, 437 Seiten, gebunden, komplett in Farbe ISBN 978-3-8362-3465-8 Buch: 29,90; E-Book: 24,90 Weitere Informationen und Demokapitel auf der Website des Verlags; Affilate-Link zum Buch bei Amazon. |
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