Achim Schaffrinna schreibt das designtagebuch.de – seit vielen Monaten die unangefochtene Nr. 1 meiner Blogparade. In diesem Weblog stellt er beinahe täglich Re-Designs vor – in erster Linie Logos, aber auch Internet-Auftritte. Eine Informations- und Inspirationsquelle, wie mir sonst für diesen Bereich eigentlich kaum eine zweite einfällt.
Achim spart nicht mit Kritik, bleibt dabei aber stets sachlich. Missgunst oder gar Neid – wie er bei Gestaltern ja leider doch oft und gerne zu finden ist – dürfte ihm niemand unterstellen können. Gerade deshalb gehört sein Weblog längst zu den wichtigsten und meist besuchten Weblogs in der deutschen Gestaltungs-Weblogsphäre. Achim lebt und arbeitet – nach einer neun Monate dauernden Weltreise – heute in Hannover.
Frage: Hallo Achim. Kannst du kurz deinen Werdegang beschreiben – wie du zur Gestaltung gekommen bist, welche Leidenschaft du damit verknüpfst und womit du heute im Wesentlichen dein Einkommen bestreitest?
Achim: Gestaltung begann bei mir maßgeblich mit Airbrush. Als Jugendlicher habe ich mir mit der Gestaltung von T-Shirts, Einladungskarten und Schildern ein Taschengeld verdient. Eigentlich wollte ich damals Innenarchitektur studieren, bis mich ein Kunde mal gefragt hat, ob Grafikdesign für mich nicht die bessere Wahl sei. Die Frage brachte Einiges ins Rollen. Bei einem einjährigen Praktikum in einem kleinen Designbüro, habe ich dann herausgefunden, was ich mein Leben lang machen möchte. Ich zog dann 1994 zwecks Studiums aus dem Rheinland nach Hannover. Wo ich bis Anfang 1999 „Designinformatik“, so hieß der Studiengang tatsächlich, studierte. An der FH Hannover habe ich in den 5 Jahren eine unglaublich wertvolle Sensibilisierung für Farben und Formen erfahren. Nach den Vorlesungen und an den Wochenenden arbeitete ich zudem freiberuflich für zahlreiche Agenturen in Hannover und gestaltete für ein Plattenlabel alles, was sie benötigten. Seit Oktober 2000 arbeite ich bei der Agentur Cybay New Media, wo ich heute den Bereich Design leite, was auch den letzten Teil Deiner Frage beantwortet. Noch mal kurz zur angesprochenen Leidenschaft. Während meiner Weltreise habe ich festgestellt, dass ein Leben ohne kreatives Arbeiten für mich ein Stück weit unausgefüllt ist. Trotz der Freiheit jeden Tag tun und lassen zu können wonach einem ist, verspürte ich mit Fortdauer der Tour ein innere Unruhe, die daraus resultierte, dass meine Kreativität nicht ausgelebt werden konnte. Es gibt wohl zwei Dinge, die ich nicht abstellen bzw. in mir unterdrücken kann. Fernweh und die Leidenschaft für das Gestalten.
Frage: Gestaltung lebt im Spannungsfeld zwischen Kreativität und Funktionalität. Wo liegen bei dir die Prioritäten?
Achim: Gerade bei den digitalen Medien ist Funktionalität unablässlich. Nutzer dürfen erwarten, dass ein Webauftritt die für sie relevanten Informationen leicht zugänglich bereithält. Ist dies nicht gegeben, werden sie eine alternative Adresse ansteuern. Bei jedem meiner Projekte schlüpfe ich selbst in die Rolle des Nutzers, um das Design in Bezug auf seine »Führungsqualitäten« zu hinterfragen. Gleichzeitig ist das Design eine entscheidende Komponente innerhalb eines Markenauftritts, um sich vom Mitbewerber deutlich sichtbar zu unterscheiden. Ein gutes Corporate Design sollte im Idealfall sowohl gangbare Wege aufzeigen und notwendige Grenzen ziehen, aber auf der anderen Seite den unterschiedlichen Medienadaptionen möglichst viel Freiraum einräumen. Wahrlich ein Spagat. Über die Jahre hat sich mein Schwerpunkt deutlich in Richtung Design für digitale Medien verlagert, wo ich mich heute sehr sehr wohl fühle. Mich fasziniert die Dynamik in Web und die Aufgabe Design und Funktion unter einen Hut zu bekommen jedes Mal aufs Neue.
Frage: Wie gehst du ein Gestaltunsprojekt an? Wie kommst du zu kreativen Lösungen und was machst du, wenn sich die Inspiration einmal nicht bis zur Deadline einstellt?
Achim: Stressig und hektisch gehts bei mir nicht zu. Ich gehe eigentlich sehr besonnen und gut sortiert an eine Aufgabe. Selbst an Stellen, wo es mal hakt überwiegt bei mir immer die Zuversicht, dass am Ende etwas Gescheites dabei rum kommt. Vor der Gestaltung beginne ich mit der Sondierung der Mitbewerber. Eine Recherche, sofern sie nicht schon während der Konzeption erfolgte, ist meist der erste Schritt. Das gilt für die Entwicklung einer CD-Linie ebenso wie für das Design von Webanwendungen. Aufgrund vielfältiger Vorgaben, Anforderungen und Ziele kanalisiert sich das Design dann meist in eine entscheidende Richtung. Diese wird dann ausgearbeitet. Ich glaube ein Entwurf sollte immer auch ein Stück weit eine Empfehlung für das gemeinsam verfolgte Ziel sein, weshalb ich eher davon absehe den Kunden mit zu vielen unterschiedlichen Varianten zu verwirren, die zwar alle recht unterschiedlich sein können, bei denen aber dann später offenkundig würde, dass sie eine konzeptionelle Tiefe vermissen lassen. Diese, meist aus Zeitknappheit, geborenen Pseudoentwürfe können später ein Projekt arg bedrängen. Zugegeben gelingt es nicht immer einen Neukunden, davon zu überzeugen, dass ein gut durchdachter Entwurf mehr kann, als drei eben mal auf die Schnelle skizzierten, gewollt unterschiedlichen Lösungsansätze. Sicherlich sollte man aber immer auch berücksichtigen, dass Kunden anders ticken, als Kreative. Deswegen muss ein Entwurf trotz aller Empfehlung offen genug sein, die nicht erfüllten Wünsche aus Kundensicht noch mit aufzunehmen. Klingt nach einer Gratwanderung. Ist aber aus meiner Sicht weniger schwindelerregend, als es sich anhört.
Frage: Welche Bedeutung hat Schrift und Typografie für deine Arbeit?
Achim: Da mein Schwerpunkt in den, durch technischen Restriktionen bestimmten digitalen Medien liegt, ist die Bedeutung sicherlich nicht so groß, wie bei Kreativen der Print-Branche. Im Mittelpunkt stehen eher die Auseinandersetzung mit Systemschriften, sowie die verschiedenen Techniken zur Einbindung von Hausschriften per Image- und Flash-Replacement (sIFR). Nichtsdestoweniger schätze ich eine gute Typo sehr. Typografie ist eine DER Säulen innerhalb einer CD-Linie. Ich bewundere die Schriftengestalter für ihre Arbeiten, allerdings wäre es mir persönlich zu nüchtern sich alleine mit der Konstruktion von Buchstaben zu beschäftigen. Bei der Logogestaltung wähle ich eher Schriften, die über einer sachliche Anmutung verfügen.
Frage: Und welche Bedeutung haben Bilder für dich? Woher beziehst du sie in der Regel? Ich nehme an – wenn ich dein Kunden-Portfolio so ansehe –, dass du eher fotografieren lassen kannst, anstatt dich bei klassischen oder gar lizenzfreien Agenturen bedienen zu müssen.
Achim: Bilder geben einem Projekt erst die notwendige Würze. Sie brennen sich schneller in die Köpfe der Menschen ein, als jedes Wort. Sie transportieren zwischen den Zeilen die Unternehmenskultur und sprechen unsere rechte Gehirnhälfte an, die sich um die Emotionen kümmert. Ich bin immer sehr glücklich, wenn Kunden bereits einen »Haus- und Hof-Fotografen« mitbringen. Ein Empfehlung spreche ich stets in Richtung Fotos vom Fotografen aus. Man sieht es dem Projekt später einfach an. Das Geld ist immer gut angelegt und für den Preis einer überteuerten Bilder-CD bekommt man locker auch 50-60 originäre Bilder vom Fotografen. Hier ist dann auch ausgeschlossen, dass man die erworbenen Bilder auf einer anderen Website entdeckt, was ich aus Kundensicht immer eher etwas peinlich fände. Anbieter bei denen ich schon einmal Bilder im Auftrag des Kunden erworben habe, sind PantherMedia, GettyImages, iStockphoto und Fotolia.
Frage: Ich bin der Ansicht, dass das Thema »Corporate Design« (bei kleineren Unternehmen ein stringentes Erscheinungsbild) in der Ausbildung von Gestaltern recht stiefmütterlich behandelt wird. In der späteren Berufspraxis wird es dann oft vernachlässigt, nicht verstanden um nicht zu sagen: ignoriert. Natürlich verengt es den Rahmen, in dem Kreativität statt finden kann. Doch ein guter Gestalter sollte in der Lage sein, auch unter klar abgegrenzten Rahmenbedingungen gute Lösungen zu erarbeiten.
Wie stehst du zu diesem Thema?
Achim: Das hängt vermutlich mit der Komplexität der Aufgabe zusammen. Tatsächlich war es auch zu meiner Studienzeit so, dass die Ausarbeitung einer kompletten CD-Linie erst im Diplom von Einigen angegangen wurde. Die Kombination Logo + Geschäftsausstattung ist sicherlich häufig angefragt gewesen, auch dank einiger Wettbewerbe, allerdings ist es damit ja nicht getan. Mein Studium war sehr vielschichtig. Fotografie, Messedesign, Kommunikationsdesign, Editorialdesign, Corporate Design, Kalligraphie, Animation, Webdesign, etc. Ich glaube die Erfahrungen, die man in jeder Disziplin gemacht hat, helfen einem später die ersten Aufträge anzugehen. Ich persönlich habe rückblickend vor allem Vorlesungen zum Thema CI/Branding/Marke vermisst. Beim gestalten einer CD-Linie geht es doch in erster Linie darum, die Unternehmensidentiät zu visualisieren. Um dies zu können, muss man sich aber zunächst einmal mit Kern der Marke oder dem, wofür das Unternehmen steht auseinandersetzen. Als Student hätte ich mir gewünscht, dass nicht nur die Disziplin Gestaltung auf dem Programm gestanden hätte, sondern auch Designberatung, bei der Kreative und Kunde gemeinsam Leitlinien entwickeln, die dann wiederum Auswirkungen auf ein Corporate Design haben. Oftmals ist es doch so, dass Kreative eine Aufgabe auf den Tisch bekommen, die sie dann umsetzen dürfen.
Frage: Gibt es ein Buch für dich, von dem du sagst: »Das muss jeder Gestalter gelesen haben!«
Achim: Wer Webdesign erstellt, sollte ein Vorstellung davon haben was Usability ist. An Jakob Nielsens Theorien / Standardwerken kommt man nicht vorbei, selbst wenn sich immer wieder Dinge ändern, was er selbst betont. Statt sich mit den eigenen Lieblingsfarben zu beschäftigen halte ich es für wichtiger sich mit den Bedürfnissen der Surfer auseinander zu setzen, dem eigentlichen Nutzen (Utility). Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Aspekten, die es Wert sind mehr als einen Gedanken daran zu verschwenden. Themen wie Farbenlehre, Informationsarchitektur (Integrierte Informationsarchitektur, Hendrik Arndt), Corporate Identity und auch die Markenführung (Brand Future, Achim Feige) sind allesamt überaus spannend.
Frage: Hast du noch weitere Informationstipps? Zeitschriften? Websites? Blogs? Oder: Wie informierst du dich und was sind deine Lern- und Inspirationsquellen?
Achim: Ehrlich gesagt würde ich Dir gerne mal über die Schulter schauen, wenn Du mit Photoshop arbeitest. Ich bin sicher, auch wenn ich fast 10 Jahre damit arbeite gibt es eine Menge, was ich noch dazu lernen könnte. Es ist einfach unglaublich komplex. Ansonsten stecke ich meine Nase berufs- und passionsbedingt täglich in unzählige Webauftritte. Wie war das damals noch mit der Inspiration, bevor es das Internet gab? Es ist mit Abstand die größte Inspirations- und Informationsquelle. Wenn ich ein Logo auf den Weg bringe nutze ich es außerdem zur Vorabrecherche. »Los Logos« und ähnliche Büchersammlungen helfen zudem dabei eine grobe Richtung einzuschlagen. Ich schaue mir wie gesagt vor einem Projekt immer die Lösungen der Mitbewerber und der Konkurrenz an, um auszuschließen und einzugrenzen.
Frage: Was würdest du Neueinsteigern raten, die Gestalter werden möchten: Wie wird man Gestalter und wie schafft man den Einstieg in die Branche?
Achim: Alles, was aus dem Kunstunterricht stammt zur Seite legen und eine Mappe eigens für die Bewerbung an einer Hochschule NEU anlegen. Zeichnungen aus der 12. Klasse interessieren keinen. Eine erste Anlaufstelle für Anwärter eines Designstudiengangs ist Precore.net. Hier zeigen Studenten ihre Mappen, mit denen sie erfolgreich die Aufnahme geschafft haben, so dass man einen guten Eindruck erhält, welche Leistung notwendig ist, um an einer Hochschule aufgenommen zu werden. Einrichtungen wie die VHS bieten zudem spezielle Mappenvorbereitungskurse an. Diese gehen über mehrere Monate und bereiten einen auf das Studium schon recht gut vor. Nach einem mehrjährigen Studium kann man sich schließlich in eine Agentur oder in die Selbstständigkeit wagen. Ohne solch eine Sensibilisierung für Farben und Formen geht man meiner Ansicht nach immer auf recht dünnem Eis, was aber nicht heißt, dass auch Ausnahmetalente ohne ein Studium erfolgreich sein können.
Frage: Gibt es sonst noch einen besonderen Rat oder Tipp, den du allen aufstrebenden Gestaltern mit auf den Weg geben möchtest?
Achim: Sich immer wieder Fragen stellen. Gutes Design ist meiner Meinung nach die Kunst des Weglassens. Muss diese Linie sein? Oder bekommt man eine Strukturierung auch nur mit Hilfe der Typografie hin? Außerdem lohnt es sich, mit dem, was man gestaltet tatsächlich zu beschäftigen und es nicht nur links oder rechts zu positionieren. Wie steht es um die Begrifflichkeit? Soll die Überschrift wirklich so bleiben? Ein Gestalter, der neben den Farben auch die Sprache selbst im Blick hat, kann für das Gesamtergebnis nur von Vorteil sein. So zumindest meine Interpretation von »Kommunikationsdesigner«.
Frage: Aus persönlichem Interesse: Ich bin über deine Aktivitäten im Internet auf dich aufmerksam geworden. Weshalb engagierst du dich auf diese Weise?
Achim: Vermutlich ist der Beweggrund nicht unähnlich mit dem vieler anderer Blogger. Know-how vermitteln, Diskussionen anstoßen und sich daran beteiligen, nicht nur Konsument sein sondern auch Produzent. Nach über 10.000 Kommentaren, die meine Artikel in gerade einmal 2 Jahren erhalten haben, bin ich zudem davon überzeugt, dass es viel Diskussionsbedarf zu Designthemen im deutschsprachigen Raum gibt. Das freut mich sehr. Ich will meinen Teil dazu beisteuern, dass dies auch weiterhin so bleibt.
10.000 Kommentare!? Wow! Ich habe in derselben Zeit gerade mal etwas über 500 empfangen dürfen. Gratulation zu dem tollen Erfolg und auch weiterhin alles Gute – beruflich, für dein Weblog und natürlich vor allem auch privat. Ich bedanke mich für das tolle Interview.
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