Ich lebe vom Unterrichten. Ich lebe aber auch von meinen Ideen. Von meinen Ideen als Grafikdesigner und von meinen Ideen als Autor. »Grafik und Gestaltung« hat als Werk etwa 1000 Arbeitsstunden verschlungen. Konzeptentwicklung, Recherchen, Textgestaltung und so weiter. Die tausenden Stunden auf dem Weg zu den Grundlagen, mir so ein Werk überhaupt zuzutrauen, lasse ich mal außen vor. Das Buch besteht aus zwei Kilo Papier und etwas Druckfarbe und kostet knapp 40 Euro. Würde das jemand als Raub kopieren, wäre die Kopie wohl teurer als das im Buchhandel gekaufte Buch.
In meine Photoshop-Workshop-Büchern stecken etwa 300 Stunden.
In »Kreativ fotografieren« stecken 300 bis 600 Stunden – je nach dem wie ich es betrachte. Während es »Grafik & Gestaltung« und »Photoshop – Schritt für Schritt zum perfekten Bild« bislang nicht als eBook gibt, ist »Kreativ Fotografieren« elektronisch verfügbar. Obwohl das Buch ohne die Marketing-Maschinerie eines klassischen Verlags ein Mauerblümchen-Dasein im Buchhandel fristet und mit bislang knapp 500 verkauften Exemplaren ein sehr kleiner Fisch im Leseteich ist, bin ich doch schon über die Nachfrage nach einer Möglichkeit das Buch ›kostenlos‹ irgendwo herunterladen zu können, und ein entsprechendes Angebot bei einem sogenannten File-Sharing-Dienst, gestoplert. Letzteres scheint zu bedeuten, dass man dort kostenlos kriegt, was dessen Erzeuger nicht verschenken will. Amüsantes Detail: Wer will, kann bislang etwa 60% von kreativ Fotografieren als Artikelserie in meinem Blog lesen und der Rest soll folgen, sobald ich wieder einmal Zeit dafür habe.
Das Thema Urheberrechte und Respekt vor geistigem Eigentum beschäftigt mich also und ich finde, dass einer, der seine Zeit damit verbringt etwas kreatives zu schaffen, auch davon leben können sollte. Vor allem, denn dieses kreative Schaffen Nutzen stiftet.
Respekt vor dem, was sich andere Erarbeitet haben, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Wäre es für die Masse der Bürger eine Selbstverständlichkeit, bräuchten wir keine Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums, sondern die Sache würde sich von selbst regeln.
Urheberrecht beschäftigt mich also. Deshalb habe ich schon öfter Artikel mit meiner Meinung darüber veröffentlicht und schon mit vielen darüber diskutiert. Zuletzt schrieb ich den Artikel »Fotografie und Urheberrecht«. Vor einigen Tagen habe ich die Petition »Wir sind die Urheber!« unterzeichnet, dessen Inhalt ich mir hier wiederzugeben erlaube:
»Mit Sorge und Unverständnis verfolgen wir als Autoren und Künstler die öffentlichen Angriffe gegen das Urheberrecht. Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen.
Der in diesem Zusammenhang behauptete Interessengegensatz zwischen Urhebern und ›Verwertern‹ entwirft ein abwegiges Bild unserer Arbeitsrealität.
In einer arbeitsteiligen Gesellschaft geben Künstler die Vermarktung ihrer Werke in die Hände von Verlagen, Galerien, Produzenten oder Verwertungsgesellschaften, wenn diese ihre Interessen bestmöglich vertreten und verteidigen. Die neuen Realitäten der Digitalisierung und des Internets sind kein Grund, den profanen Diebstahl geistigen Eigentums zu rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern.
Im Gegenteil: Es gilt, den Schutz des Urheberrechts zu stärken und den heutigen Bedingungen des schnellen und massenhaften Zugangs zu den Produkten geistiger Arbeit anzupassen.
Das Urheberrecht ermöglicht, dass wir Künstler und Autoren von unserer Arbeit leben können und schützt uns alle, auch vor global agierenden Internetkonzernen, deren Geschäftsmodell die Entrechtung von Künstlern und Autoren in Kauf nimmt. Die alltägliche Präsenz und der Nutzen des Internets in unserem Leben kann keinen Diebstahl rechtfertigen und ist keine Entschuldigung für Gier oder Geiz.«
Vor diesem Hintergrund hat ein Artikel zu dieser Petition, mit dem Titel »Ich bin die Böse«, meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Mir ist bewusst, dass viele Leute ein bisschen geistiges Eigentum ›illegal‹ verbreiten, aber das meiste legal erwerben. Ich habe selbst einen (kleinen) Anteil von Musik in meiner Bibliothek, die ich von Freunden aufgespielt bekommen habe. Ich habe Schriften auf meiner Festplatte, für die ich keine Lizenz habe, auch wenn ich für meine Projekte nur legal erworbene nutze. Ich habe schon Software gecrackt, für die es kein Demo gab, um herauszufinden, ob es sich lohnt sie zu kaufen.
Ich glaube nicht, dass man päpstlicher als der Papst sein muss, und dass man ein Todsünder ist, wenn einmal Daten den Weg auf persönliche Festplatten finden, der nicht ganz den Vorstellungen des Urhebers entspricht. Ich bin aber dagegen, dass das ›sich einfach Bedienen‹ bei den Leistungen anderer, zu einem Quasi-Grundrecht erklärt wird. Das hat etwas mit Respekt zu tun. Respekt davor, dass jeder selbst bestimmen darf, unter welchen Bedingungen er die Früchte seiner Arbeit teilt. Bin ich mit diesen Bedingungen nicht einverstanden, gibt mir das nicht das Recht, mir die Früchte einfach zu nehmen.
Oft habe ich den Eindruck, der überwiegende Teil der privaten Anwender organisiert sich eine Software wie Photoshop irgendwie, obwohl die meisten schon der Ansicht sind, dass Urheber es verdienen für ihr Schaffen entlohnt zu werden. Es wird halt argumentiert, Adobe habe eh genug Geld und ihre Software sei ohnehin überteuert.
Allerdings entspricht das nicht meinen Moralvorstellungen (nennt nun ruhig mich böse und schimpft mich einen ›Gutmenschen‹ – ich kann das einstecken –, aber ich brauche meine Moral damit ich mir im Spiegel in die Augen sehen kann). Ich finde, jeder der etwas produziert, egal ob geistig, geistlos oder materiell, hat das recht selbst zu bestimmen, wie und zu welchem Preis er die Verbreitung erlaubt. Und wenn ich Photoshop zu teuer finde, dann ergibt sich für mich daraus nicht das Recht es mir einfach zu nehmen, sondern ich verzichte darauf und suche nach einer anderen Alternative. Ich höre jetzt schon wieder die »ja, aber«s. Aber Haltung hat für mich nichts mit »ja, aber« zu tun.
Wir brauchen mit Sicherheit ein neues Urheberrecht und eine zeitgemäße Regelung für die Verbreitung geistigen Eigentums, die das Internet nicht zum Stillstand bringt und von der nicht nur ›Große‹ profitieren.
Für mich ist der Schutz vor Kopie meiner Werke eine Frage des Einkommens und des Lebensunterhalts. Ich habe hunderte Stunden in ein Konzept investiert, das Fotografie verständlicher beschreiben soll, als ich es den mir bekannten Fotoschulen unterstelle. Dazu habe ich mir viele Illustrationen und Metaphern ausgedacht, um die Themen greifbar und leicht verständlich zu machen. Ich halte »Kreativ fotografieren« für eine von mir erdachte und erarbeitete Innovation. Ob ich damit jemals einen Umsatz erlange, der zu einem Stundenlohn führt, den die meisten Arbeitnehmer als akzeptabel erachten würden, ist ungewiss.
Auf File-Sharing-Servern ist das eBook wie gesagt verfügbar und es gibt offensichtlich auch eine Nachfrage von Leuten, die offensichtlich der Meinung sind, mein Werk sei seine 45 Euro nicht wert. Ich frage mich nur, weshalb sie dann Stunden investieren wollen, es zu lesen, wenn es keine 45 Mücken wert ist?
Mir kommt vor es fließe ein breiter Mainstream in der Meinung ›kopiert sei doch nicht geklaut‹. Jedenfalls wird oft argumentiert, der Besitzer eines Werks, das lediglich kopiert wurde, verfüge ja trotzdem weiterhin über sein Original. Nur, wenn mir durch Kopie, statt Verkauf, mein Einkommen weg bricht, dann hinterlässt das bei mir sehr wohl ein Loch in der Brieftasche. Wo ist dann der Unterschied, ob mir jemand mein Einkommen auf diese Art vorenthält, oder ob er in meine Brieftasche greift und mir Bares entwendet? Das Ergebnis ist für mich, als Urheber, dasselbe: Mir fehlt der Lohn meiner Leistung.
Gerade gestern habe ich in einem Zeitungsforum so argumentiert und die Antwort erhalten, dass ich ja das Original noch immer habe und es anderweitig verkaufen könne.
Ein Anderer argumentiert bezogen auf Musik, es habe eh jede mögliche Tonfolge bereits einmal gegeben und jemand der heute komponiert schaffe eh nur das, was vor ihm bereits da war. Dieser Logik folgend kann ich aber sein Haus marschieren und mit seinem Golf davonfahren, denn das Blech dazu war ja auch schon da, bevor VW ein Auto daraus gepresst hat. Mir unterstellt es, »Kreativ fotografieren« wäre kein originelles Werk, schließlich gab es die Wörter, die ich genutzt habe, schon vorher, und auch Fotografie war schon vorher dar.
Ich behaupte: Niemand schafft etwas aus dem Nichts. Aber ein Tischler, der aus gewachsenem Holz einen neuen Tisch formt hat es verdient fair dafür entlohnt zu werden.
Ehrlich gesagt bin ich es leid mit Leuten zu diskutieren, die solcher Kleinkinderlogik in ihrer Argumentation folgen folgen. Ernst nehmen kann ich das nicht. Und ernst genommen fühle ich mich in meinem Standpunkt damit auch nicht.
Noch schlimmer sind die Vorwürfe ich würde die Totalüberwachung des Internets und chinesische Zustände fordern, wenn ich das Kopieren von Werken entgegen den Bedingungen des Urhebers als Diebstahl bezeichne.
Bin bin auch gegen Gewalt, Raub, Mord, Totschlag und Vergewaltigung in den Straßen. Ich bin deshalb aber nicht für eine Überwachung öffentlicher Plätze, schon gar nicht gegen eine Totalüberwachung mit Videokameras. Ganz im Gegenteil: Ich bin strikt gegen eine solche Kontrolle.
Und nein: ich setze das Kopieren eines eBooks nicht mit Mord und Vergewaltigung gleich!
Ich bringe lediglich klar zum Ausdruck: Wenn ich mich an dem, was ein andere geschaffen hat, bediene, ohne mich an seine Bedingungen zu halten, dann ist das Diebstahl. Ich habe auch schon einen Apfel stibitzt und verurteile niemanden, der einmal eine Musik-DVD oder mein »Kreativ fotografieren« auf seine Festplatte kopiert, weil ein Freudn gerade mit diesem Datenmaterial vorbei marschiert. Doch dass ich beim pflücken eines Apfels aus Nachbars Garten einmal eine Auge zudrücken kann, bedeutet nicht, dass ich stehlen generell akzeptiere.
Es hat was mit Respekt zu tun. Und Haltung.
PS: Eine weitere Petition in diese Richtung findet ihr unter wir-sind-die-buerger.de. Diese gefällt mir vor allem deshalb, weil sie wichtige Punkte konkret anspricht und auf Konsens setzt. Etwas, was ich in der allgemeinen Diskussion immer mehr vermisse.
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