Spatz, Grünfink und Sensorformate

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24. Juli 2020
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6 Kommentare
Frau Spatz, Frau Grünling und Herr Grünling | Olympus OM-D E-M1MarkIII | M.Zuiko 300mm ƒ4 + MC-20 | 600mm (1200mm KB) | ƒ8 | 1/160s | ISO 1000 | Capture One Pro, Topaz Sharpen AI und Topaz DeNoise AI

1/160s bei 1200mm Brennweite aus freier Hand und das Bild ist scharf! Für jemanden, der mit Fotografie vor 35 Jahren begonnen hat, eigentlich unglaublich. Und dann auch noch ISO1000!

»Fotografie und Gedanken« habe ich die Rubrik, unter der ich momentan Einiges publiziere, genannt. Eine gute Möglichkeit für mich Gedanken über Fotografie loszuwerden, und euch, liebe Leser, gleichzeitig Fotos von mir unterzujubeln.

Fotos von Vögeln an Futterstellen sind unter Naturfotografen eigentlich verpönt. Ich zeige es auch nicht, weil es ein so tolles Bild ist. Obwohl: Eigentlich ist es schon ein gutes Foto. Gut, weil es einen Grünfink knapp 30m von unserer Terrasse entfernt zeigt. Das ist erfreulich, denn der Grünfink ist bei uns schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Er war es einmal. Aber immer weniger ist selbstverständlich, was es lange war.

Mittlerweile sind Frau und Herr Buchfink auch nicht mehr alleine da, sondern besuchen unser Vogelbuffet mit ihren Kindern. Schön, wenn wir den putzigen Vögeln mit ein bisschen Futter unter die Arme greifen und etwas zu ihrem Überleben beitragen können! Schon, als es noch umstritten war, haben wir mit Ganzjahresfütterung begonnen – bis zu diesem Frühjahr direkt auf der Terrasse. Leider kacken die kleinen Scheißer auch da, wo sie fressen, und man erreicht auch nur die Arten die keine Scheu haben sich menschlichen Behausungen zu nähern, also vor allem die, die ohnehin nicht besonders bedroht sind. Seit unsere Futtersilos und -häuschen 30m vom Haus entfernt an einem Baum am Bach hängen, kommen aber eben auch Grünlinge vorbei, deutlich mehr Meisen und ein Buntspecht hat das Restaurant vor kurzem inspiziert.

Das Futter kostet natürlich. Aber im Vergleich zu einem Haustier sind die Ausgaben überschaubar. Ich weiß, das ist etwas Anderes – ich bin mit Katzen und Hunden aufgewachsen! Und doch hat es etwas Besonderes die Vögel durch das Fernglas zu beobachten. Es ist immer was los. Futter und Futtersysteme bestelle ich bei Vivara (vivara.at | vivara.de). Darauf bin ich über den NABU aufmerksam geworden, was mir das Vertrauen gibt, dass die Produkte wirklich gut für die Tiere sein sollten.

Inzwischen habe ich auch im Ried eine Futterstelle angelegt. Auch wenn ich die Tiere dort nicht beobachten kann fühlt es sich gut an helfen zu können.

Um nun auf das Thema Fotografie zu sprechen zu kommen: Ich habe heute einen Kommentar erhalten, von einem Leser der Vögel fotografiert. Dafür setzt er (unter anderem?) wohl auch MFT ein und erstellt Prints im Format 90×60cm. Das ist noch einmal eine etwas andere Liga, als meine 33×48cm Abzüge – immerhin fast die vierfache Fläche! Dafür möchte er nicht unter 180ppi gehen. Das ist etwa das dreifache dessen, was üblicherweise für dieses Format (knapp über A1) angenommen wird (siehe Auflösung und Druckformat).

Bei A1 wird üblicherweise ein Betrachtungsabstand von 2m angenommen. Ich erklär das meist so: Wenn man ein Porträt von Angelina oder Brad in diesem Format vor sich habt, möchte man das Bild als Ganzes erfassen, und dafür ist Distanz notwendig. Niemand geht dicht an die Aufnahme heran, um die Äderchen in den Augen, die Poren der Haut oder aus der Nase spießende Haare im Detail zu betrachten. Deshalb werden Großflächenplakate (z.B. 16-Bogen-Plakat: 252×356cm) auch mit einer Auflösung von 30ppi gedruckt, was aus den Entfernungen, aus denen diese betrachtet werden, tadellos aussieht und wofür 12,5 Megapixel genügen.

Das gilt allerdings nicht für jedes Motiv unter allen Umständen. Wenn ein Foto von Gärten ausgestellt wird, dann wird ein an Blumen interessierter Betrachter wahrscheinlich schon bis an die Nasenspitze an das Bild gehen, um eine bestimmte Blume im Detail studieren zu können. Das sehe ich bei Vögeln zwar an sich nicht als gegeben. Dennoch verstehe ich, wenn manche Fotografen ihre Poster auch im Detail in Augenschein nehmen und sich an den Details des Gefieders erfreuen möchten, ohne sich an pixeligen Strukturen oder Artefakten der Interpolation stoßen zu müssen, auch wenn dasselbe außer ihnen kaum einem Betrachter in den Sinn kommt. Bei einem Berufsfotografen kann ich auch nachvollziehen, dass er diese Perfektion im Detail als Qualitätskriterium seines Berufsstandes ansieht und keine Kompromisse eingehen möchte, ebenfalls unabhängig davon, ob Kunden und Betrachter den Unterschied bemerken.

Das ist ein bisschen, wie bei Steve Jobs, der einmal einen Mitarbeiter aufgefordert haben soll, sauberer zu löten. Der Mitarbeiter wies darauf hin, dass die Platinen in Gehäusen verschwinden und niemand wissen werde, wenn die Lötung ästhetisch nicht einwandfrei ist. »Aber Sie wissen es!«, soll Jobs geantwortet haben.

Das ist ein legitimer Anspruch, wenn man seiner Profession mit Leidenschaft nach geht! Ich selbst feile oft sinnlos lange an meinen Grafiken und stecke gerade wieder einen Zeitaufwand in eines meiner Bücher, der sich wirtschaftlich betrachtet wahrscheinlich niemals rechnen wird.

Ich nehme das Thema Detailqualität und die Unterschiede zwischen Vollformat und MFT hier noch einmal auf, weil mir wichtig ist, richtig verstanden zu werden. Ich bin zwar absolut der Überzeugung, dass man mit MFT professionell fotografieren kann. Ich bin sogar überzeugt, dass, wer mit irgendeiner aktuell am Markt befindlichen Systemkamera nicht auf professionellem Niveau zu fotografieren in der Lage ist, schlicht und einfach nicht fotografieren kann. Doch nicht minder unbestreitbar ist, dass High-End-Qualität nur mit High-End-Ausrüstung zu erzielen ist.

Vollformat, und darüber hinaus wahrscheinlich noch mehr Mittelformat (womit mir schlicht die Erfahrung fehlt), haben definitiv größeres Qualitätspotenzial als MFT (und natürlich auch als APS-C). Markt, Presse und Community suggerieren nur leider, dass hochwertigere Kameras quasi automatisch zu besseren Bildern führen. Aber das ist Unsinn!

Um aus Vollformat herauszuholen, was in Vollformat drin ist, muss ich zunächst einmal mit der Materie Fotografie durch sein und sie einzusetzen wissen – ich muss Fotografie beherrschen. Ich muss präziser arbeiten und kürzere Verschlusszeiten einhalten. Nicht umsonst wird im Vollformat häufig mit Stativ fotografiert. Das heißt auch, zur generell schwereren Ausrüstung ist für den Transport zusätzlich ein professionelles Stativ zu berücksichtigen. Ich muss auch ganz andere Summen in die Ausrüstung investieren. Dass es Leute gibt, die ein Olympus 300mm ƒ4 um 2500 Euro mit einem Nikkor 600mm ƒ4 um 13.000 Euro vergleichen, zeigt, wie unsachlich die ganzen Diskussionen in der Fotografie geführt werden.

Professionelle Naturfotografen bauen oft Tarnzelte auf und verbringen Tage darin, um die Aufnahmen zu machen, die uns aus den Socken hauen. Man muss fast schon sagen, blöd, wer da nur MFT einsetzt, anstatt sich seine Mühe mit dem, was technisch und optisch gerade State of the Art ist, veredeln zu lassen.

Exzellente, professionelle Fotografie erfordert Zeit und Aufwand. Nicht nur endloses Ansitzen bei Wind und Wetter. Wer das perfekte Landschaftsfoto machen will, muss gerne früh aufstehen, und selten wird er es beim ersten Ausflug einfangen. Die wirklich umwerfenden People-, Beauty- und Fashion-Aufnahmen sind Teamwork – neben dem Model sind Stylisten, Visagisten und Friseure mit von der Partie. Dass davor viel Organisationsaufwand steht, versteht sich von selbst. Und den erbringt der Fotograf, nicht die Kamera.

Und der höhere Aufwand hört bei der Fotografie an sich nicht auf. Auch die Arbeit in der digitalen Dunkelkammer erfordert einen High-end-Computer, wenn man mit 50MP statt mit 20MP fotografiert. Mit meinem MacBook Pro jedenfalls (Kostenpunkt letztes Jahr knapp 3000 Euro Brutto – also kein Computer-Sonderangebot vom Aldi) wird die Arbeit in Capture One Pro mit 50MP zäh, während ich mit 20MP flüssig arbeiten kann.

Fotografen, die diesen Aufwand zu betreiben bereit sind, können ihren Aufnahmen mit einer Vollformatkamera einen Schliff verleihen, den eine Kamera mit kleinerem Sensor so nicht im selben Ausmaß zu geben in der Lage ist.

Aber wie groß ist der Anteil der Fotografen die so arbeiten?

Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Hersteller von Vollformatkameras verhundern würden, wenn sie ausschließlich auf Kunden angewiesen wären, die auf diesem Niveau arbeiten. Sie leben von Laien, Amateure und weniger besessenen Profis. Von Kunden die glauben sie müssten nur eine entsprechende High-end-Kamera kaufen und könnten dann auch so tolle High-end-Aufnahmen machen, wie jene die sich dafür den Arsch aufreißen (oder absitzen).

Würden alle, deren Ansprüche sich durch MFT ausreichend decken lassen, MFT kaufen, gäbe es nur zwei reiche Anbieter: Olympus und Panasonic.

Die banale Realität ist, dass bei der Art Fotografie, die vom Durchschnittsfotografen betrieben wird, sowie seinen Ausgabebedingungen, der Unterschied zwischen Vollformat und MFT irrelevant ist. Das meine ich in keinster Weise abwertend! Ich würde mich damit selbst abwerten. Denn auch für meinen Anspruch und meine Ausgabebedingungen genügt MFT. Und ich will weder behaupten, dass ich völlig anspruchslos noch absolut erfahren bin.

Ich will sogar behaupten, dass ich durchaus professionelle Ansprüche an die Fotografie stelle und trotzdem mit MFT bestens bedient bin. Vor allem deshalb, weil das System meiner Art zu fotografieren optimal entgegen kommt. Ich streife nun einmal bevorzugt durch die Natur und nehme auf, was mir begegnet. Dafür ist MFT definitiv besser geeignet, als jedes andere, größere Format. Und ich bin bei weitem nicht der einzige Naturfotograf, der mit dem System auf professionellem Niveau fotografiert. Es gibt zwar Resultate, die mir damit verwehrt bleiben, aber dafür kann ich Bilder machen, die mit Vollformat so nicht möglich wären.

Natürlich gilt dasselbe umgekehrt: Man kann mit MFT Fotos auf professionellem Niveau machen (etwas anderes zu behaupten, stellt eine Beleidigung an alle Kollegen dar, die das tun) und man kann mit Vollformat durch die Gegend streifen und einfangen, was einem begegnet. Die Unterschiede liegen im Detail, und sind nicht, wie uns meist weisgemacht wird, ausschlaggebend. Wenn ich behaupte, MFT ist ideal für alle die gerne mobil fotografieren, und Vollformat ist kompromisslose Qualität, für die, die die Ausrüstung nicht durch die Gegend schleppen müssen, dann ist das Schwarzweiß gezeichnet. Die Realität ist aber weder Schwarz noch Weiß. Es gibt unzählige Grautöne dazwischen (deutlich mehr, als 50). In diesen Schattierungen finden sich auch Kameras mit APS-C-Sensoren. Wer mit welchem System, was am liebsten wie fotografiert, muss jeder selbst herausfinden.

Antworten

  1. Moin,
    ich möchte noch einmal auf die Auflösung meiner Bilder eingehen. Wenn ich eine Größe von 60 * 90cm drucken lassen, dann stammt das Bild aus meiner Canon 5D4 (30MP) und wird nur wenig gecropt. Nach meiner Rechnung benötigt man dann ca. 28 MP bei 180 DPI. Die meisten Vogelbilder sind nur 40*60cm groß. Der Betrachtungsabstand ist ca. 1m. Die Bilder hängen in einem Flur in einer Berufsschule. Von den 20MP Bildern der Olympus Kameras und meiner Canon 7D2 bleiben sicherlich nur die Hälfte über, da ich bei Vogelbildern meistens Bildausschnitte verwenden muss. Dennoch sind die Bilder von guter Qualität. Das Originalbild muss natürlich sehr scharf sein, ansonsten ist von den Strukturen im Gefieder nicht viel zu erkennen. D.h. der Fokus muss sitzen und man benötigt viel Licht. Leider habe ich bei fliegenden Vögeln mit den Olympus Kameras noch wesentlich mehr Ausschuss, als mit der alten 7D4. Vielleicht wäre die Olympus M1X mit der Vogelerkennung besser. Aber ich verwende Olympus, weil das System klein und leicht ist. Zudem ist es eine Freude die Kameras anzufassen und zu bedienen.
    Gruß aus dem Norden
    Dirk

    1. Danke für die Ergänzung. Ich hoffe du nimmst mir nicht übel, dass ich deinen Kommentar als Anlass genommen und im Artikel zitiert habe.
      Grüße zurück und allzeit gut Licht!

    2. Moin,
      und genau dort sehe auch ich eine gewisse Problematik der alten Mft-Sensoren. Noch bis vor kurzem hatten die einfacheren OM-D Kameras wie die E 10 Mark 3 diese älteren 16 Mpixel Sensoren.
      16 Mpixel sind nicht per se ein Problem für größere Ausdrucke. Denn in der Originalgröße 4592×3448 Pixel ist ein Audruck in 60×40 cm mit 200 dpi immer noch knackscharf auf einen Betrachtungsabstand von 1,50m gesehen. Wenn ich aber dann für eine Ausstellung das Seitenformat von 4:3 auf 3:2 beschneide, und zusätzlich noch einen Bildausschnitt wähle, dann wird es schon ein wenig eng.
      Alles immer einen gut sitzenden Autofokus vorausgesetzt.
      Hier kann ich auch die Markenpolitik von Olympus und Panasonic nicht nachvollziehen. Das kann nicht nur ein Kostenproblem gewesen sein, auch den kleineren Kameramodellen das längst fällige Upgrade zu verpassen.
      Mittlerweile ist ja die OM-D E 10 Mark 4 auf dem Markt. Wobei sich nun wiederum die Frage stellt, welche Zukunft der Marke Olympus denn blühen wird.
      Nicht jeder Amateurfotograf schüttelt mal so ganz nebenbei 2000.- Euro aus der Tasche, fallen zu den Kosten der Kamera doch noch die Kosten der Objektive an. Und hier wird es dann richtig teuer. Mit dem Standardobjektiv 14-42 mm mache ich doch gar nichts. Ein Äquivalent zum Lumix 12-60mm wäre hier das Mindestmaß der Dinge als Standardobjektiv, um den Amateur zum System Mft zu holen.

      1. Ich kann das nicht beurteilen, da ich mich. nicht als Amateur bezeichnen würde.

      2. auf welches Upgrade beziehen sie sich hier Herr Weller ?

        Danke

  2. Glückwunsch zu diesem Artikel welcher auch eine, vielleicht ungewollte, Analyse des Amateurspektakels in der Fotografie ist.

    Die Zeilen ab
    „Aber wie groß ist der Anteil der Fotografen die so arbeiten?“
    habe ich so bisher nur sehr selten gelesen.
    Ich sage mal,…………………..damit haben Sie ins schwarze getroffen.

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