Fotografie, Wahrnehmung, HDR

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21. September 2019
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Alphütte auf der Seraalpe
Seraalpe | Olympus E-M1 MarkII | M.Zuiko 12-100mm ƒ4.0 | 12mm (24mm KB) | ƒ8 | 1/640s | ISO200 | HDR-Bild aus 7 Belichtungen, vereint mit Aurora HDR, korrigiert mit DxO ViewPoint

Auf meine letzten Blogartikel habe ich einen Kommentar bekommen, dass meine HDRs nicht aussehen, wie ein reguläres Foto. Während des Schreibens einer Antwort kam mir der Gedanke, dass diese eigentlich für einen ganzen Artikel taugt, finde ich doch, dass sie wohl für viele einschlägig interessierte Leser interessant sein könnte – schließlich wird ja nicht jeder die Kommentare zu den Artikeln lesen.

Natürlich fallen Aufnahmen im prallen Sonnenlicht nicht so aus, wie die Aufnahmen die ich im genannten Artikel gepostet habe. An sonnigen Tagen kann der Motivkontrast bis zu 20LW betragen, das ist ein Kontrastverhältnis von 1:1 Million. Unsere Wahrnehmung schafft davon mit Hilfe der Tricksereien unseres Gehirns etwa 14LW (1:10.000) – die Augen selbst erreichen nur ein Kontrastverhältnis von 1:100. Ein JPEG oder ein Monitor erreicht gerade einmal 8LW (1:1000) – Angaben die bei Fernsehern das Kontrastverhältnis im mehrfachen Millionenbereich angeben, haben mehr mit Tricksereien – bei Bildschirmen technischer Natur – zu tun und mit Marketing, als mit einem Kontrastumfang der tatsächliche in den sechsstelligen Bereich geht.

In der Fotografie führt ein Motivkontrast der den Dynamikumfang eines 8-Bit-JPEGs überschreitet zu Unter- und/oder Überbelichtung. Beides – sowohl Unter- als auch Überbelichtung – kommt in unserer Wahrnehmung nicht vor. Als Äquivalent zu fotografischer Überbelichtung (strukturloses Weiß), lässt sich in der Wahrnehmung höchstens die Blendung betrachten, beispielsweise wenn man auf ein sonnenbeschienenes Schneefeld blickt. Sie brauchen aber nur einmal den Blick auf eine blendend weiße Fläche mit dem Blick auf einen überbelichteten Bereich in einer Fotografie zu vergleichen um herauszufinden, dass das zwei nicht miteinander vergleichbare Dinge sind.

Auch wenn wir in RAW fotografieren, müssen wir die 10LW bis 14LW des Sensors komprimieren, um die dunkelsten und hellsten Bereiche im 1:1000-Kontrastumfang eines Monitors sichtbar zu machen – in Lightroom heißt das Schatten und Schwarz aufhellen, Lichter und Weiß abdunkeln. Bei kräftiger Komprimierung des Dynamikumfangs der Aufnahme sieht das Resultat dann einem HDR aus mehreren Belichtungen nicht unähnlich. Anders geht es aber nicht, möchten wir in einem Foto Zeichnung in Lichtern und Schatten sichtbar machen, die unsere Augen vor Ort mühelos erkennen konnten.

Valiseraalpe
Valiseraalpe | Olympus OM-D E-M1X | M.Zuiko 9-18mm ƒ4.0-5.6 | 9mm (18mm KB) | ƒ8 | 1/640s | ISO200 | Belichtungsreihe aus 5 Belichtungen, vereint mit Aurora HDR, korrigiert mit DxO ViewPoint
Einzelbelichtung der HDR-Aufnahme oben. Im Himmel enthalten einige Bereiche kaum oder gar keine Bildinformation mehr und sind überbelichtet, in den Bäumen sind viel Bereiche unterbelichtet und Schwarz.

Die Gegenlichtaufnahme mit dem Kreuz beispielsweise zeigt bei 8 Bit einen ausgefressenen, in vielen Bereichen zeichnungsfreien weißen Himmel. Andere Bereich wiederum, z.B. in den Schatten der Bäume, fallen unterbelichtet schwarz aus. Tatsächlich jedoch war der Himmel für die menschliche Wahrnehmung blau wahrzunehmen, so wie es im HDR-Bild zu sehen ist. Natürlich sah der Himmel in meinen Augen nicht exakt so aus, wie in der abgebildeten HDR-Aufnahme. Allerdings noch viel weniger so, wie in der Einzelbelichtung.

Selbstverständlich ist das HDR auch nur eine Interpretation der Realität im Rahmen der technischen und physikalischen Möglichkeiten der digitalen Fotograftechnik, nicht anders als eine normale 8-Bit-Aufnahme der Szene eine Interpretation ist. Das trifft allerdings auf unsere Wahrnehmung nicht minder zu.

Ich würde auf jeden Fall behaupten, dass das HDR bei so einer Szene meiner Wahrnehmung näher kommt, als es eine reguläre 8-Bit-Einzelbelichtung tun kann. Schließlich konnte ich vor Ort das Blau des Himmels und die Struktur der Wolken ebenso erkennen, wie die Details im Schatten der Bäume, was eben bei einer regulären Aufnahme nicht der Fall ist.

Mir geht es in der Fotografie heute darum Aufnahmen zu erstellen die Szenen so gut als möglich so zeigen, wie ich sie erlebt habe, und nicht so, wie es den technisch-physikalischen Beschränkungen einer 8-Bit-Einzelbelichtung entspricht.

Bin ich mit den Resultaten vollauf zufrieden? Nein. Auch mit dieser Technik bekomme ich oft noch ausgefressene Überbelichtung und rein schwarze Unterbelichtung. Aber es entwickelt sich und ich kann in den Aufnahmen Details und Strukturen sichtbar machen, die vor Ort problemlos zu sehen waren, und nicht von Unter- und Überbelichtung verschluckt sind.

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