Bokeh wird überbewertet

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13. März 2019
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1 Kommentare

Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Facebook-Seite gepostet, dass ich Bokeh für überbewertet halte, und dass man es sich mit lichtstarken Prime Lenses einfach und bequem machen kann: Blende aufreißen, draufhalten, abdrücken. Die geringe Schärfentiefe löst das Subjekt aus der Umgebung und damit gleichzeitig alle gestalterischen und kompositorischen Probleme.

Es hat schon was, wenn man ein Subjekt vor einem quirligen Hintergrund freistellen kann um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das zu lenken, was man ihm zeigen möchte. Für Bokeh sensibilisierte Augen werden wahrscheinlich regelmäßig Ahs und Ohs von sich geben, wenn sie in Kinoproduktionen ganze Personen aus dem Hintergrund herausgelöst sehen. Als Fotograf muss mein einiges investieren um einen vergleichbaren Effekt zu erzielen. Das 200mm ƒ2 von Nikon kann das. Es kostet aber auch knapp 7000 Euro.

Das Video unten hat mich an meine Aussage von damals erinnert. Der Fotograf der es präsentiert zeigt die Ergebnisse einer kleinen Erhebung, die er zum Thema Bokeh machte. Das auch für mich etwas überraschende Ergebnis: Unbedarfte Betrachter finden Aufnahmen mit ausgeprägter Unschärfe in der Regel weniger attraktiv, als Bilder mit etwas detaillierteren Hintergründen. Bokeh scheint vor allem einen zu interessieren: Den Fotografen selbst. Und der Präsentator des Videos teilt offensichtlich meine Ansicht, dass man es sich mit reichlich Bokeh sehr bequem machen kann, und dass Komposition und Bildgestaltung eine ganz andere Herausforderung darstellen, wenn man Subjekt mit Umfeld in Beziehung setzen muss.

Das freut natürlich den MFT-Fotografen, bekommen wir doch immer wieder zu hören, dass man mit unsrem System nicht arbeiten könne, weil man kein ausreichendes Bokeh erhalte. Ich persönlich denke ja, dass das Ausmaß der Unschärfe alleine kein Maßstab für die Qualität des Bokehs ist. Viel wichtiger finde ich, wie weich – wie cremig – es ausfällt. Ich hatte an meinen Nikon-Vollformatkameras lichtstarke Optiken im Einsatz, die ein recht harsches Bokeh erzeugten. Meine MFT-Objektive bilden unter vergleichbaren Bedingungen zwar etwas mehr Details ab, haben aber allesamt ein recht weiches Bokeh.

Ich bin zwar wegen des Gewichts des Systems von Vollformat auf MFT umgestiegen. Ausschlaggebend war aber, dass ich entdeckte, dass ich mit dem Olympus 45mm ƒ1.8 genauso attraktive Porträts erzielte, wie mit Nikons 85mm ƒ1.8. Erst diese Erkenntnis löste die Frage auf, weshalb ich eigentlich eine so große und schwere Ausrüstung mit mir herumschleppe.

Bitte nicht falsch verstehen: Das Oly 45er machte keine schöneren Aufnahmen als das Nikon 85er. Sie sind aber auch nicht schlechter. Dabei kostet die Oly-Linse gerade einmal die Hälfte.

Und dann kommt noch etwas dazu: Es ist eine bekannte Weisheit, dass Objektive erst bei mehr oder weniger starker Abblendung ideale Schärfeleistung und Kontrast erzielen. Ich habe das mit einigen Nikon-Linsen getestet und bestätigt gefunden. Ich habe außerdem auch mit all meinen Olympus- und Panasonic-Objektiven getestet, mit dem Ergebnis, dass viele bereits bei Offenblende eine nahezu optimale Detailzeichnung erreichen, und bei denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist, bereits durch geringes Abblenden ihr Optimum erreichen.

Wie immer gilt: Ich halte MFT nicht für besser als andere Systeme. Größere Sensoren haben definitiv Vorteile. Ich will nur jenen entgegen treten, die die Nachteile des Systems größer darstellen als sie sind, und dann meist noch gleichzeitig die Vorteile klein reden. Jedes System hat Vor- und Nachteile und je unterschiedlicher die Systeme sind, die uns angeboten werden, desto größer die Chance, dass jeder das findet, was für ihn optimal ist.

Antwort

  1. Die Behauptung, dass man mit MFT Kameras nicht richtig freistellen kann, ist – denke ich – mit den lichtstarken Pro Objektiven von Olympus, den Pendants von Panasonic-Leica sowie den 1.4 er Linsen von Sigma (ich selbst nutze hier das 1.4 56 mm) endgültig Gesichte!

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