Lightroom oder Photoshop?

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17. September 2015
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Leser Frank sandte mir eine Mail mit einer Frage die wohl viele Leser beschäftigen dürfte, die den Schritt von der reinen Bildaufnahme und -verwaltung zur aktiven Bildentwicklung in der digitalen Dunkelkammer vor sich bzw. gerade hinter sich haben: Lightroom oder Photoshop? So lautet sie vereinfacht ausgedrückt.

Kein Foto ohne Entwicklung

Zunächst einmal muss man wissen, dass jedes Bild das eine digitale Kamera aufnimmt entwickelt werden muss. Das ist nicht anders als beim analogen Fotonegativfilm: Der rohe, zwar belichtete aber noch nicht entwickelte Film, zeigt zunächst gar nichts. Erst nach der Entwicklung und Belichtung auf einen Papierabzug können wir ein Bild herzeigen.

Genauso wenig, wie mit einem nicht entwickelten Film, können wir mit den Daten die ein digitaler Aufnahmesensor speichert etwas anfangen. Auch diese müssen erst entwickelt werden damit sich ein für uns sinnvolles Bild ergibt.

Fotografiert man im JPEG-Format werden die Rohdaten von der Software der Kamera entwickelt, wobei aus reinen Rot-, Grün und Blauinformationen die tatsächlichen Farben berechnet werden, geschärft, entrauscht und der Weißabgleich eingerechnet wird – und einiges mehr. Eine Digitalkamera im JPEG-Format ist im Grunde das elektronische Gegenstück zur Sofortbildkamera der analogen  Ära.

RAWs müssen erst entwickelt werden

Fotografiert man im RAW-Format entwickelt die Kameraelektronik zwar auch eine Vorschau im JPEG-Format, allerdings nur damit sich die Aufnahmen am Kameradisplay anzeigen lassen. Die richtige Entwicklung muss dann am Computer passieren.

Bildentwicklungsprogramme bzw. RAW-Konverter

Photoshop und andere Bildbearbeitungsprogramme können RAW-Bilder nicht öffnen, sondern benötigen eine JPEG-, TIFF- oder PSD-Datei zur Bearbeitung (oder ein vergleichbares Format). Photoshop wird deshalb mit dem Zusatzprogramm Adobe Camera Raw ausgeliefert. Adobe Camera Raw ist kein Bildbearbeitungsprogramm im herkömmlichen Sinn sondern vielmehr ein Entwicklungsprogramm für RAW-Daten (es können damit zwar auch JPEG-Bilder eingestellt werden aber nicht mit den Möglichkeiten des RAW-Formats).

Im RAW-Entwicklungsprogramm werden Einstellungen vorgenommen, wie sie beim Fotografieren im JPEG-Format von der Software der Kamera in der Kamera vonstatten gehen, also z.B. Weißabgleich, Belichtungskorrektur, Farbanpassungen, Lichter- und Schattenkorrekturen, Korrektur optischer Fehler, Rauschreduzierung, Schärfung, etc.

Manche dieser Einstellungen lassen sich bei einem JPEG auch nachträglich in der Bildbearbeitung kaum minder gut einstellen, doch viele bei weitem nicht mit den Möglichkeiten die der Fotograf im Entwicklungsprogramm vorfindet. Vor allem Belichtungskorrekturen und Weißabgleich lassen sich in der Bildbearbeitung oft kaum mehr korrigieren, wenn sie bei der Bildentwicklung falsch eingestellt waren. Die individuelle Entwicklung von RAW-Daten bietet die Möglichkeit Lichtsituationen zu meistern, die man im JPEG-Format mit Einstellungen an der Kamera unmöglich in den Griff bekommt.

RAW-Entwicklungsprogramme bieten also alle grundlegenden Einstellungen die der Fotograf zur Bildentwicklung benötigt, bis hin zu einfachen Bildbearbeitungskorrekturen, wie zum Beispiel der Retusche von Staub oder Hautunreinheiten. Letzteres ist allerdings in Entwicklungsprogrammen eher eine Me-too-Funktion die es dem Fotografen ermöglichen soll, nicht wegen jeder Kleinigkeit in die Bildbearbeitung wechseln zu müssen.

Entwiklungs-Bearbeitungs-Workflow

Die Aufteilung der Aufgaben zwischen Bildentwicklung und Bildbearbeitung sieht in der Regel so aus: RAW-Bilder werden in den RAW-Konverter importiert oder im Falle von Photoshops Adobe Camera Raw damit geöffnet. Hier werden dann alle wesentlichen Einstellungen der Bildentwicklung, wie Weißabgleich, Helligkeit, Kontrast, Farbeinstellungen und Rauschreduzierung vorgenommen. Die allermeisten Aufnahmen lassen sich damit komplett abschließen und verlangen nicht an ein Programm zur weiteren Bearbeitung übergeben zu werden (was allerdings auch ein Bisschen Geschmacksache ist).

Arbeitet man mit Adobe Camera Raw und Photoshop wird in ACR nach der Entwicklung auf »Bild öffnen« geklickt. ACR übergibt das Bild in Photoshop wo weitere Bearbeitungen vorgenommen werden können oder das Bild einfach im JPEG-, TIFF- oder PSD-Format gespeichert wird.

Sind Aufgaben wie ausgefeilte Retuschen, Bildmontagen, selektive Bildmanipulationen etc. erforderlich oder soll beispielsweise Text integriert werden kommen Bildbearbeitungsprogramme zum Einsatz, in der Regel der unangefochtene Platzhirsch Photoshop. Arbeitet man mit Lightroom muss dazu eine Datei im JPEG-, TIFF- oder PSD-Format exportiert werden, verwendet man eine Funktion wie »öffnen mit« geschieht das automatisch im Hintergrund.

RAW-Bilder werden nie überschrieben

Photoshop ist nicht in der Lage RAW-Dateien zu öffnen und auch nicht sie zu speichern (jedenfalls kein echtes RAW wie es von der Kamera kommt). Stattdessen muss immer im JPEG-, TIFF- oder PSD-Format gespeichert werden. Eine RAW-Datei wird nie geändert oder überschrieben (wenn man von der Änderung von Metadaten absieht).

Nicht jeder Fotograf benötigt ein Bildbearbeitungsprogramm wie Photoshop. Tatsächlich werden die meisten Gelegenheits-, Hobby- und Amateurfotografen mit einem Programm zur RAW-Entwicklung auskommen. Ein solches empfehle ich sogar unbedingt, denn die meisten bieten nicht nur die Möglichkeiten RAW-Bilder zu entwickeln, sondern auch mehr oder weniger ausgefeilte Verwaltungsfunktionen bis hin zum Export von Websites, Alben und zur Wiedergabe von Diashows.

Bildverwaltung

Lightroom ist im Grunde eine etwas schicker gestaltete Synthese aus Adobe Camera Raw und Adobes Datenbrowser Bridge. Ich bin zwar selbst kein Freund dieses Programms –primär weil ich die Benutzeroberfläche und Bedienung nicht mag –, empfehle es aber dennoch als erste Wahl, und zwar weil es billiger ist als manch andere Lösung und vor allem weil es zu keinem anderen Programm mehr Ressourcen in Form von Literatur, Tutorials und Lernvideos gibt.

Ob man die Befürchtung hegt und damit leben kann, dass es auch dieses Adobe-Programm eines Tages nur mehr in einer Mietversion gibt, muss jeder für sich selbst beantworten – für mich ein zusätzlicher, wenn auch nicht ausschließlicher Grund, von dem Programm Abstand zu nehmen.

Lightroom-Workflow

Mit einem Programm wie Lightroom sieht der Workflow so aus, dass Aufnahmen zunächst in eine Datenbank importiert werden. Beim bzw. nach dem Import geschieht automatisch eine Standardentwicklung der Rohdaten. Diese ist der Entwicklung in der Kamera nicht unähnlich, fällt aber zumeist moderater aus, weshalb viele Fotografen den Eindruck haben JPEGs würden von vornherein besser aussehen als RAW-Bilder (die Kameras puschen die Bilder nur intensiver). Der Fotograf kann die Bilder nun so lassen wie sie von Lightroom interpretiert werden oder sie individuell einstellen. Er kann sogar eigene Rezepte schreiben die sich dann für zukünftige Importe automatisch als individueller Standard anwenden lassen.

Lightroom stellt zunächst einmal eine auf die Bedürfnisse von Fotografen angepassten Oberfläche zur Verwaltung umfangreicher Bildbestände zur Verfügung. Einstellungen die der Fotograf vornimmt werden in einer Datenbank gespeichert und auf deren Basis werden Vorschaubilder generiert die ebenfalls in der Datenbank gespeichert werden. Sie dienen dazu, dem Fotografen ein schnelles browsen in seinen Bildbestände zu ermöglichen. Ohne sie müsste bei jeder Darstellung des Bildes eine neue Vorschau aus dem RAW berechnet werden, was die Arbeit mit Bildbeständen zäh werden ließe.

Die RAW-Datei muss dabei unbedingt erhalten und für Lightroom verfügbar bleiben um auch für zukünftige Bearbeitungen das Rohdatenmaterial in vollem Umfang zur Verfügung zu haben.

Soll ein Bild im Internet veröffentlicht, an Freunde versandt, für ein Album verwendet oder ein Fotoabzug in Auftrag gegeben werden, ist eine Datei im TIFF-, PSD- oder JPEG-Format zu exportieren, in aller Regel letzteres. Die RAW-Datei fungiert dabei als Original und die exportierte Datei als Abzug.

Welche Produkte?

Nun habe ich in der Überschrift und bisher im Artikel beinahe ausschließlich von Adobe-Produkten gesprochen, weil diese am bekanntesten und weitesten verbreitet sind.

Alternative RAW-Konverter

Ich bin wie gesagt kein Freund von Adobes Lightroom und zwar in erster Linie deshalb, weil die Oberfläche absolut restriktiv gestaltet wurde und mir keine Möglichkeit bietet sie an meine Bedürfnisse anzupassen (wenn man davon absieht, dass man die Kopfleiste mit einem eigenen Logo versehen kann).  Verschärfend kommt hinzu, dass es viel zu wenige Tastaturkürzel gibt und keine Möglichkeit eigene zu definieren.

Capture One Pro 8

Meine Wahl fiel nach dem Aus von Apples Raw-Konverter Aperture auf die dänische Software Capture One Pro. Dieses Programm liefert die in meinen Augen die beste Bildqualität aller Entwicklungstools. Dabei ist mir allerdings wichtig zu betonen, dass besser im Vergleich zu Adobes RAW-Konvertern »besser als hervorragend« bedeutet. Außerdem gibt es viele Experten diese Meinung nicht ganz teilen – schließlich arbeitet der Großteil professioneller Fotografen mit Lightroom. Hier muss sich jeder seine eigene Meinung bilden.

Tatsächlich leisten wohl die bekannten RAW-Entwicklungswerkzeuge durchaus vergleichbare Qualität und was man am Ende tatsächlich als besser empfindet wird auch Geschmacksache sein. Ausschlaggebend für die Wahl einer bestimmten Software sollte eher die Bedienung und die zur Verfügung gestellten Funktionen sein – Funktionen die über die Grundeinstellungen die von einem RAW-Konverter hinaus gehen.

Meine Wahl fiel vor allem deshalb auf Capture One, weil es mir die Möglichkeit bietet die Benutzung exakt auf meine Bedürfnisse abzustimmen. So kann ich eigene Arbeitsbereiche definieren für die ich genau die Paletten auswähle die ich dafür brauche und sie dort positioniere wo sie für mich am meisten Sinn ergeben.

Darüber hinaus kann ich bei Capture One Tastaturbefehle individualisieren. So habe ich die Grundeinstellungen soweit angepasst, dass ich alle wichtigen Funktionen mit einer einzigen Taste aufrufen kann (also ohne Fingerverrenkungen wie CMD+Alt+X). Auch Anpassungen wie Belichtung, Kontrast, Farbsättigung, Drehen, etc. können über Tastaturbefehl laufen, wovon ich ausgiebig Gebrauch mache. Das macht die Bearbeitung hunderter Bilder deutlich effizienter als für jeden Handgriff zur Maus greifen zu müssen und erlaubt auch ein körperschonenderes Arbeiten.

Seit der Version 8 bietet Capture One außerdem eine Verwaltungsumgebung die es mit Lightroom aufnehmen kann, was davor nicht der Fall war.

Weitere Alternativen

Neben Lightroom und Capture One habe ich auch mit DxO Optics ausgiebig gearbeitet, kann diesem Programm durchaus einiges abgewinnen, finde aber die Bedienung nicht viel glücklicher als bei Lightroom und vermisse darüber hinaus eine effiziente Verwaltung großer Bildbestände, wie sie Lightroom bietet und ich sie an Capture One schätze. Alle drei Programme sind als Demoversion verfügbar und lassen sich ohne Einschränkungen einen Monat testen, so dass sich jeder einen Eindruck verschaffen kann, welches ihm am besten zusagt.

Für Freunde von OpenSource-Software gibt es darüber hinaus RawTherapee. Kurze Blicke habe ich außerdem auf ACDSee (Mac/Win) und Corels AfterShot geworfen, allerdings ohne mich besonders dafür begeistern zu können. Doch auch diese Produkte sind als Demos verfügbar, so dass man sich einen eigenen Einruck verschaffen kann.

Bildbearbeitungsprogramme

Bildbearbeitungsprogramme sind wie gesagt erst erforderlich, wenn es um ausgefeilte Retusche, Freisteller, Bildmontagen und -collagen, Integration von Text usw. geht. Unangefochtener König dieser Disziplin ist Adobe Photoshop das für Fotografen zusammen mit Lightroom für 12 Euro im Monat zu mieten ist, womit man diese Kombination durchaus als Schnäppchen bezeichnen kann.

Allerdings sollte der Preis alleine nicht ausschließlich über die Wahl einer Software entscheiden, genauso wenig wie ein ernstzunehmender Fotograf sich ausschließlich wegen des Preises für ein Kamerasystem entscheiden sollte. Da ich ein Adobe-Creative-Suite-Abo habe wäre für mich Lightroom beispielsweise ohne Zusatzkosten verfügbar, trotzdem habe ich mich für das über 200 Euro teure Capture One entschieden.

Nicht jeder braucht »Photoshop«

Die meisten Gelegenheits-, Hobby- und Amateurfotografen werden wohl wie gesagt mit einem Entwicklungsprogramm wie Lightroom oder Capture One auskommen. Man darf nicht vergessen, dass man in ein Bildbearbeitungsprogramm nicht nur ein paar Euro investieren muss, sondern vor allem viel Zeit es zu erlernen und zu beherrschen. Es ist also durchaus eine Überlegung wert sich zunächst auf ein Entwicklungsprogramm zu konzentrieren und erst wenn man dies souverän beherrscht und/oder damit an die Grenzen stößt über ein zusätzliches Programm zur Bildbearbeitung nachzudenken.

Dabei muss man sich nicht zwangsläufig für Photoshop entscheiden. Photoshop ist ein Moloch der für alle die irgendwie mit Bildbearbeitung zu tun haben alles bieten möchte – bis hin zur Bearbeitung laufender Bilder und zum generieren von einfachen 3-D-Bildern. Entsprechend komplex ist die Bedienung.

Photoshop-Alternativen

Eine Alternative die von Adobe selbst für Mac und Windows angeboten wird ist Photoshop Elements – ein abgespecktes Photoshop, das für das Gros der Anwender bieten dürfte, was sie brauchen.

Am Mac hat seit längerer Zeit Pixelmator seine Freunde und aus England schickt sich Affinity Photo an zur ernstzunehmenden Konkurrenz für Photoshop zu werden (mein Bericht, Link zur Seite des Softwareherstellers). Während Pixelmater wohl weiterhin nur für den Mac verfügbar ist, ist mit einer Windows-Version von Affinity Photo im nächsten Jahr zu rechen.

Auch zur Bildbearbeitung gibt es ein OpenSource-Projekt und damit eine kostenlose Software mit dem Namen Gimp, die sowohl für Mac als auch Windows verfügbar ist, zahlreiche Freunde haben dürfte und für die auch einiges an Literatur und Tutorials zu finden ist.

Für Windows-User wird das Angebot an Alternativen wohl noch viel größer sein, als am Mac, allerdings fehlt mir als Mac-Anwender ein entsprechender Überblick.

Frank fragte außerdem, um auf sein Mail zurück zu kommen, ob es nicht sinnvoll sei für Entwicklung und Bearbeitung bei der Software eines Herstellers zu bleiben. Da allerdings die Entwicklung ein abgeschlossener Prozess ist und RAW-Bilder immer in Form eines JPEG-, TIFF- oder PSD-Abzugs an die Bildbearbeitung übergeben werden müssen, ist es völlig egal ob die beiden dafür verwendeten Programme aus dem selben oder zwei verschiedenen Häusern kommen.

So könnte man beispielsweise mit Lightroom Bilder entwickeln und verwalten und für Retuschen auf Affinity Photo zurückgreifen, so wie ich Bilder in Capture One entwickle und in der Regel Photohop zur Bearbeitung verwende. Aufgrund dessen, dass es derzeit aber kein Programm gibt, das so viele und über Jahre gereifte Funktionen bietet wie Photoshop ist es wohl naheliegend für die Bearbeitung Photoshop zu wählen, wenn man sich auf ein Lightroom-Abo eingelassen hat – 12 Euro Monatsmiete für das Bundle dürfte bis auf weiteres wohl unschlagbar sein.

Alles klar?

Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel etwas Licht in die Frage welche Programme man wofür braucht bringen konnte. Falls es weitere Fragen zu dem Thema gibt sendet mir bitte eine Mail oder schreibt einen Kommentar.

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