Megapixel ersetzen Zoomobjektive?

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11. Juni 2015
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3 Kommentare

Gestern stellte Sony seine neue spiegellose Systemkamera α7r MkII vor. Mit an Bord: Ein 42,3-Megapixel-Sensor. Eigentlich ein Bisschen mau nachdem Canon ja jetzt 50 Megapixel anbietet.

Es war natürlich  klar, dass das kommen würde – ich schreib bereits vor ein paar Wochen: Das Megapixel-Rennen geht in die zweite Runde, nachdem es in den letzten Jahren wegen das High-ISO-Rennens in die Pause ging.

Allerdings habe ich mir noch gestern vorgenommen das Thema Megapixel die nächste Zeit ruhen zu lassen, schließlich habe ich mich schon oft genug dazu geäußert. Heute las ich dann bei thephoblographer.com einen Artikel mit der Überschrift “How Many Megapixels Do You Need”.

16, stand da im ersten Absatz, was mir sehr gefiel. Ich selbst betrachte ja seit Jahren 18 Megapixel als Maß der Dinge. Weshalb 18? Weil man damit A3 bei 300ppi erreicht.

Ich vermute der Anteil der aufgenommenen Fotos die tatsächlich den Weg auf Formate über A3 finden liegt im niedrigen Promillebereich und zwar bei irgendeiner Zahl mit einer Null vor dem Komma.

16 Megapixel seien also genug für die meisten Fotografen, schreibt der Autor bei thephoblographer.com, und erntet meine volle Zustimmung. Allerdings nur um sie im nächsten Absatz wieder zu verlieren. Denn dort meint er, dass höhere Auflösungen für Fotografen einen Sinn hätten, wenn sie gelegentlich Crops aus den Aufnahmen herausschneiden müssen, weil sie gerade kein ausreichend langes Tele dabei haben.

Damit bedient er einen weit verbreiteten Mythos und so hätte er sich den Schmus mit den »16 Megapixel sind genug« auch sparen und gleich schreiben können: Ein Fotograf kann nie genug Auflösung haben!

Dass man bei Kameras mit hochauflösenden Sensoren zur Not große Bilder auf kleine Ausschnitte zusammenschneiden kann ist eine unter Laien weit verbreitete Ansicht – und offensichtlich nicht nur unter Laien.

Das Problem dabei: Je höher die Auflösung, desto eher macht der Sensor nur Schwächen der Optik und jede geringste Erschütterung und Unruhe der Kamera sichtbar. 20 Megapixel und mehr verlangen nach sehr guten Linsen um die Mehrauflösung auch nutzen können. Ansonsten wird nur die Unschärfe der Objektive höher aufgelöst aufgezeichnet.

Schon vor drei Jahren schrieb ich einen Artikel, in dem ich die 12-Megapixel-DSLR D700 mit der 20-Megapixel-Kompakten RX100 von Sony verglich. Das Beispiel dort belegt, dass ein auf 20 Megapixel aufgeblasenes 12-Megapixel-Bild einer guten Kamera mit (relativ) gutem Objektiv auch nicht unschärfer ist als eine Aufnahme die mit einem kompakten, (relativ) billigen Objektiv mit einer 20-Megapixel-Kamera gemacht wurde.

In einem weiteren Artikel machte ich einen direkten Vergleich und rechnete ein 20-MP-Bild aus der RX100 auf 12 Megapixel hinunter, dann wieder auf 20 Megapixel hoch und verglich es mit dem ursprünglichen Original (in meinem Buch »Die kreative Fotoschule« gibt es so ein Beispiel auch in gedruckter Form). Das Ergebnis: Kein sichtbarer Unterschied!

Das ist ein Bild das ich mit der RX100 aufgenommen habe
Originalausschnitt
Das ist ein 100-%-Ausschnitt aus dem Originalbild
Interpoliert
Das ist ein Ausschnitt aus einem Bild das ich in Photoshop auf 12MP heruntergerechnet und das Resultat dann wieder auf 20MP aufgeblasen habe

Das heißt, dass es in der Praxis kaum einen Unterschied macht, ob man einen Ausschnitt aus einem Bild das mit 36, 42 oder 50 Megapixel aufgenommen wurde herauscroppt oder das Bild mit einer 16 oder 18-Megapixel-Kamera macht und dann digital auf die entsprechende Auflösung hoch interpoliert. Jedenfalls legen das alle Tests die ich bisher in diese Richtung gemacht habe nahe.

Ich bin mir sicher, dass hochauflösende Sensoren bis zu einer gewissen Pixeldichte bei entsprechend präziser Arbeitsweise für bestimmte Motive tatsächlich einen Qualitätsgewinn darstellen – ob das auf 42 oder 50 Megapixel auch noch zutrifft wage ich zu bezweifeln. Beim Einsatz von Objektiven der Mittelklasse oder darunter und bei spontaner Fotografie aus freier Hand jedoch dürfte durch die hohen Auflösungen kaum ein qualitativer Gewinn zu erzielen sein.

Ich frage mich wie viele Fotografen die auf hohe Auflösungen schwören tatsächlich überprüft haben ob die vielen Megapixel tatsächlich etwas bringen; ob sie wirklich einmal verglichen haben ob die Resultate ihrer Megapxielboliden tatsächlich schärfere Bilder ergeben als es Interpolationen von Bildern mit 16 oder 20 Megapixel erreichen würden. Ich glaube ja längst nichts mehr was ich nicht selbst überprüft habe.

Am Ende muss jeder selbst entscheiden wie viel Geld er in Kameras, Objektive, Computer und Festplatten mit hohen Auflösungen investiert nur um einmal im Jahr von einem Bild eine Abzug machen zu lassen der größer ist als A3. Ob er dafür dann wirklich ausreichend präzise gearbeitet hat um das Mehr an Schärfe auf das Papier zu bringen, ob dieselbe Schärfe nicht auch durch Interpolation zu erreichen gewesen wäre und ob der Betrachter des Posters den Unterschied überhaupt wahr nimmt steht auf einem anderen Blatt.

Am Ende bedienen die Kamerahersteller mit ihren hochauflösenden Kameras allerdings nur einen tief verwurzelten Aberglauben der Menschen: Viel hilft viel!

Antworten

  1. Deine Tippfehler befinden sich in meinem Blog in bester Gesellschaft. Danke fürs Kommentieren.

  2. Nachtrag: Ein bisschen anders sehe ich im Videobereich K4. Diese Videos wirken schon um einiges schärfer als FullHD.
    Allerdings bräuchte ich dann eine komplett neue Computerausstattung. Denn schon FullHD zu bearbeiten und zu rendern, bringt meinen PC an Grenzen.

    Gruß
    Andreas

    PS: Sorry für die Tipp-Fehler

  3. Mit der Megapixelanzahl meiner OM-D E-M5 bin ich zufrieden. Das reicht für, das was ich brauche, gut aus (Zeitung, Gemeindebrief, Flyer, Postkarten, Bildschirmshows, Fotobücher, mal ein Ausdruck in A3). Das Tolle an den OM-D Files (RAW) finde ich, dass sie in 100% sehr scharf sind.

    Bereits vor Jahren habe ich ein paar schöne Prints (Tintenstrahl) von Bildern meiner Nikon D70 machen lassen bis 50 cm Druckbreite. Sie sind gestochen scharf im Betrachtungsabstand eines Posters.

    Ich frage mich immer: Wie viel Wände haben eigentlich die Fotografen, die so scharf sind auf 36 und mehr Pixel.
    Bei Hochzeitsfotografen, die große Ausdrucke verkaufen wollen, kann ich es ein Stück weit nachvollziehen. Ebenso bei Fotografen, die Ausstellungen machen und große Prints aushängen müssen.

    Für den normalen Fotoenthusiasten fehlt mir das Vorstellungsvermögen, wofür er so viele Megapixel braucht. Aber vielleicht ist es für manche für Freude, sich in 100% in eine Bild reinzuzomen und dann darin rumzuwandern.

    50 Megapixel Aufnahmen zu machen, bloß, um dann croppen zu können, finde ich ziemlich faul. Zu was gibt es Zoom-Objektive? Ich finde es sinnvolle, mir bereits bei der Aufnahme Gedanken über den Ausschnitt zu machen. Aber vielleicht ist das auch altmodisch gedacht.
    Vielleicht ist es das Ziel der Fotografie-Geschichte, letztlich mit einer einzigen Aufnahme solche Fotos zu machen http://www.in2white.com.

    Ganz ab und zu könnte ich mal vorstellen, einen wirklich hohe Pixelzahl zu benötigen. Etwa, wenn ich ein richtig großes Aufstellposter von einer Kirche brauche. Aber da reicht mir, glaube ich der HighRes-Mode der E-M5 Mark II.

    Interessant finde ich, dass viele, die mit dem Fotografieren ihr Geld verdienen, gar kein hochaktuelles Equipment haben. Ihnen tuts oft eine relativ alte Fotoausstattung. Aber die rechnen halt, was ihnen eine Neuanschaffung bringt – im Unterschied zu vielen Hobbyisten.

    Viele Grüße
    Andreas

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