Nikon 1 – Überrascht?

Kategorie:
|
14. November 2011
|
Keine Kommentare
Nikon 1 J11 Nikkor 10 Pancake WH
© Nikon

Wenn ich mir Reaktionen über Nikons neues Kamerasystem mit dem schlichten Namen 1 ansehe, dann scheinen die meisten Beobachter überrascht zu sein und die wenigsten davon positiv.

Nikons neues System baut auf einen Sensor, der mit 13,2×8,8mm deutlich kleiner ist, als das übliche Format für Amateur-Spiegelreflexkameras, 16×24mm (mit dem auch die Systemkameras von Sony und Samsung ausgestattet sind), und das im Profi-Bereich übliche Kleinbildformat (Vollformat), mit 24×36mm. Allerdings ist das Format auf der anderen Seite doch deutlich größer als die größten Bildsensoren, die derzeit in Kompaktkameras verbaut werden – ca. 7,3×5,7mm.

Nun ist natürlich ein kleinerer Sensor technisch und bildgestalterisch ein unbestreitbarer Nachteil. Zum einen verschlechtert sich das Rauschverhalten bei schwachem Umgebungslicht und entsprechend erhöhten ISO-Werten. Viel dramatischer wiegt aber, dass das Spiel mit geringer Schärfentiefe nur eingeschränkt möglich ist, was jedoch wertvoll wertvoll wäre um die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt zu lenken. Wer daran jedoch seine gesamte Kritik am Nikon 1 System aufhängt, denkt zu kurz.

Wer von einer Kamera einen großen Sensor erwartet, muss eine große Kamera in Kauf nehmen. Zwar hat das Nachteile beim Transport, aber ambitionierte Fotografen wissen, dass die Vorteile einer großen, griffigen und satt in der Hand liegenden Kamera für komfortables Fotografieren ohnehin unverzichtbar ist.

Klar ist es möglich Kameragehäuse heute auch mit größeren Sensoren sehr kompakt zu gestalten. Doch von der Größe des Sensors hängt auch die Größe des Objektivs ab und dessen Volumen lässt sich nicht so leicht schrumpfen. Was aber soll ein winziges Kameragehäuse bringen, wenn das Objektiv groß ist?

Nx100 presse04
© Samsung

Das Ziel aktueller Systemkameras ist vor allem Geräte mit Wechselobjektiven im kleinen Volumen anbieten zu können. Wer eine Kamera mit einem großen Sensor, und dafür angemessene Objektiv nutzen will, ist mit den aktuellen Spiegelreflexmodellen besser bedient. Man muss auch nicht über Cabrios mosern, nur weil man die Vorteile von Kombis schätzt.

Nikons Entscheidung, das neue System mit einem verhältnismäßig kleinen Bildsensor auszustatten, ergibt durchaus einen vernünftigen Sinn, wenn man ein paar Jahre in die Zukunft denkt.

In den letzten Monaten sind immer mehr Kameras mit elektronischen Suchern auf den Markt gekommen. Die aktuellen Modelle haben gegenüber optischen Suchern noch Nachteile. Aber sie haben auch bereits Vorteile. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die Nachteile durch technische Weiterentwicklung ausgemerzt werden können. Schon wird diskutiert, dass elektronische Sucher in nicht allzu ferner Zukunft die optischen Sucher verdrängen könnten. Das heißt also aus mit Spiegelreflex.

Eine Kamera mit elektronischem Sucher ohne Spiegel ist eine Systemkamera. Wenn also Nikon in einigen Jahren seine semiprofessionellen und professionellen Modelle nur mehr mit elektronischem Sucher ausstatten sollte, dann wäre jede Nikon eine Systemkamera. Das heißt die aktuellen Nikon DX- und FX-Spiegelreflexkameras würden sich linear und fließend zu DX- und FX-Spiegelreflexkameras entwickeln. Welchen Sinn würde es für Nikon (und den Anwender) dann machen, parallel ein zweites System zu fahren, mit den mittelgroßen DX- oder großen FX-Sensoren?

Vor diesem Blick in eine durchaus wahrscheinliche Zukunft beginnt das neue Nikon 1 System plötzlich einen klaren Sinn zu ergeben. Wer einen großen Sensor für seine Arbeit wünscht und braucht, wird weiterhin auf Nikon FX-Modelle setzen können und kann alle Objektive der letzten fünfzig Jahre nutzen. Wer mit etwas weniger auskommt, kann die DX-Reihe mit kleineren Bildsensoren und preiswerteren Objektiven nutzen, kann ebenso alle Objektive seit den 1950er Jahren ansetzen und auch die hochwertigen und teuren FX-Objektive verwenden.

Für jene, die vor allem eine kleine Kamera, zum komfortablen mitnehmen, suchen gibt es nun das neue CX-System der Nikon 1. Zwar kann der Fotograf auch hier mittels Adapter DX- und FX- und alle Objektive der letzen fünfzig Jahre nutzen, aber – he! – das ist eigentlich nur eine mögliche Option, nicht der wirkliche Zweck der Kamera. Der Zweck der Nikon 1 ist es vor allem klein zu sein und diesen Zweck erfüllt das neue System perfekt. So wie ein Cabrio seinen Zweck erfüllt. Wer Ladefläche mit Dach sucht, muss sich halt bei den Kombis umsehen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.