2.9. Fokussierung

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22. April 2011
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2 Kommentare

Fotoschule onLine - Kreative Digitalfotografie verständlich erklärt

Die Wahl der Schärfentiefe ist ein kreatives Gestaltungsmittel, das dem Fotografen zur Verfügung steht. Manchmal ist es besser eine kurze Schärfentiefe zu wählen, manchmal besser eine weite. Sehr oft ist es aber auch einfach Geschmacksache für welche von beiden Varianten man sich entscheidet. Manchmal fotografiere ich eine Szene sowohl mit geringer Abblendung (kleine Blendenzahl = offene Blende) für geringe Schärfentiefe und mit starker Abblendung (hohe Blendenzahl = hohe Schärfentiefe). Die beiden Varianten kann ich dann am Computer-Monitor vergleichen und mich für die eine oder andere Variante entscheiden.

Bezogen auf die Fokussierung ist es hingegen meist weniger Geschmacksache auf welchen Punkt scharf gestellt wird. Meist ist ein einziger Punkt in einer Szene der Punkt der scharf sein muss. Fokussiert man auf einen anderen Punkt und der zentrale Punkt ist unscharf, wirkt das Resultat verunglückt. Die nächste Abbildung zeigt eine Testaufnahmen zu einem Nacht-Shooting. Das Bild wirkt unscharf.

Sandranachts
Falsche Fokussierung: Der schärfste Punkt liegt auf den ­Haaren, etwa im Bereich der ­Ohren. ­Korrekt wäre gewesen auf die ­Augen zu fokussieren.

Aber ist dieses Bild wirklich unscharf? Die Haare im Bereich der Ohren sind gestochen scharf. Aber wer interessiert sich für Haare wenn Augen im Bild sind? Der schärfste Punkt müsste auf den Augen liegen. Wären die Augen scharf abgebildet und die Haare unscharf, dann würden wir das Bild als gelungen empfinden. So aber wirkt es verunglückt.

Mehrere Personen fotografieren | Bevor wir uns eingehender mit der Fokussierung befassen, noch ein wichtiger Tipp zur Fotografie von mehreren Personen, die nicht in einer Linie nebeneinander, sondern mit unterschiedlichen Ab­ständen hintereinander, stehen.

Generell setzt man bei Porträts gerne auf offene Blenden um das Modell sauber vom Hintergrund freizustellen (siehe auch ›Freistellen‹) und den Fokus klar auf die Augen zu lenken. Befinden sich jedoch zwei oder mehr Leute nicht direkt nebeneinander sondern hintereinander sind sehr kurze Schärfentiefen mit Vorsicht zu genießen. Sie führen dazu, dass nur mehr die Augen einer Person scharf sind.

Samundlukasunscharf
Dieses Porträt von Sam und Luke habe ich mit Blende ƒ1.8 auf­genommen. Sam ist scharf abgebildet, aber Lukes Augen, wenige Zentimeter dahinter, sind bereits deutlich verschwommen.
Samundlukasscharf
Mit Blende ƒ8 kommen beide ­Personen mit ausreichender ­Schärfe ins Bild (daraus aber nicht den Schluss ziehen, dass für ­solche Aufnahmen immer Blende 8 optimal ist – es kommt auch auf Brennweite und Distanz an – Sensorformat, Abstand, Brennweite und Blende sind immer gemeinsam für die Schärfentiefe verantwortlich; siehe dazu auch noch einmal den letzten Artikel).

Manuelle oder automatische Fokussierung

Manchmal wird das zur Glaubensfrage. Aber nachdem Computer längst Schachweltmeister schlagen und sogar Weltklassefoto­grafen, wie Joe McNally, auf die automatische Blitzlichtsteuerung via i-TTL vertrauen, sollte man diese Suppe nicht zu heiß löffeln. Ich denke beides hat seine Daseinsberechtigung.

Erstens habe ich persönlich immer das Gefühl meine Brille störe mich bei der Beurteilung der Schärfe über den Sucher. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, denn ich bin mir sicher, es gibt viele Fotografen, die Brillenschlangen sind wie ich, und trotzdem manuell fokussieren. Aber ich traue der Sache einfach nicht, wenn ich bei 100 mm Brennweite auf ein oder zwei Meter Distanz bei Blende ƒ2.0 beurteilen soll, ob der Schärfepunkt exakt auf den Augen sitzt oder nicht.

Rasante Motive | Zweitens gibt es Motive, die sind einfach verdammt schnell und das menschliche Reaktionsvermögen kommt mit manuellem Fokussieren schlicht nicht mit. Ich denke dabei an Vögel im Flug.

Street Photography | In der Street Photography hingegen wird oft manuelles Fokussieren bevorzugt und das mit gutem Grund. Auch die schnellsten AF-Objektive brauchen ihre Zeit zum Fokussieren. Vor allem in schattigen Gassen, wenn es dämmert oder gar bei Nachtszenen in der Großstadt. In solchen Situationen hängt die manuelle Fokussierung durch den Fotografen die Geschwindigkeit der AF-Systeme oft locker ab.

Aber widerspricht sich das nicht? Bei Vögeln soll die automatische Fokussierung schneller sein als der Mensch und in Stadt und Straße langsamer?

Nur scheinbar! Autofokussysteme brauchen immer einen Moment bis sie scharf gestellt haben (In dieser Beziehung hat übrigens das Objektiv meist mehr Einfluss auf die ›Fokussiergeschwindigkeit‹ als die Kamera). Der Mensch schafft das in der Regel schneller. Vor allem wenn die Lichtbedingungen nicht optimal sind, also wenn es dunkelt oder trübe ist. Hat ein elektronisches AF-System aber einen Schärfepunkt erst einmal gefunden und auf ihn fokussiert, kann es ihm in der Regel um ein vielfaches besser folgen, als die menschliche Wahrnehmung. Motive die sich schnell bewegen werden deshalb meist so fotografiert: Die Kamera wird auf Serienbildmodus geschaltet, der Fotograf versucht auf den fliegenden Vogel (als Beispiel) zu fokussieren, drückt den Auslöser durch und folgt dem Motiv bei weiterhin gedrücktem Auslöser. Moderne Kameras schaffen zwischen fünf und zehn Aufnahmen in der Sekunde und die Schärfe wird von der Kameraelektronik kontinuierlich nachgeführt – jedenfalls bei entsprechender Einstellung (bei Nikon heißt die Einstellung CF, Continious Focus, bei Canon AI Servo – andere Hersteller mögen unter wieder anderen Namen identische Einstellungen anbieten).

Makro | In der Makrofotografie kommt es oft vor, dass sich die Automatik schwer tut, auf den gewünschten Fokuspunkt scharf zu stellen. Ich erlebe es beim 105mm Macro Nikkor immer wieder, dass die Fokusautomatik zwischen Nahfokussierung und Fernfokussierung hin und her springt und es nicht schafft das Motiv scharf zu stellen – bei anderen Makro-Objektiven ist das meist nicht anders. Auch hier ist die manuelle Fokussierung die bessere Wahl.

Am Ende ist es Teils Geschmacksache, Teils Situationsabhängig, ob man manuell oder automatisch fokussiert.

Bei modernen AF-Objektiven Nikon kann sogar automatisch und manuell kombinieren. Bei Nikon sind es in der Regel AF-S-Objektive, bei denen man nach der automatischen Fokussierung noch einmal über den Einstellring für die Schärfe manuell korrigierend eingreifen kann (AF steht für ›Auto Focus‹, S für ›Ultra Sonic‹, Ultraschall). Auch hier bieten andere Hersteller vergleichbare Produkte.

Das heißt, dass ich zum Beispiel bei meinem AF-S Nikkor 50mm ƒ1.4 manuell fokussieren kann, ohne auf manuelle Fokussierung umzustellen. Beim AF Nikkor 50mm ƒ1,8 – einem älteren und preiswerteren Objektiv – ist das nicht zu empfehlen. Zwar ist es möglich, aber es geht nur gegen den Widerstand des AF-Motors. Wenn man also beim manuellen Fokussieren mittels des Schärferings am Objektiv einen Widerstand spürt, dann sollte man nicht weiter drehen. In so einem Fall lässt sich mit diesem Objektiv nur dann manuell fokussieren, wenn man an Kamera oder Objektiv auch auf manuell umstellt.

Manuell af Fokusschalter zum Umschalten zwischen automatischer und manueller Fokussierung an einer Nikon D7000. (Bild: © Nikon GmbH)

Fokussierung, Messfelder, Sucher und Live-View

Zum Ermitteln der Entfernung zur Fokussierung suchen SLR-Kameras nach erkennbaren Kontrastkanten innerhalb eines kleinen Bildausschnitts. Wenn man mit Hilfe des Suchers fotografiert geschieht das über das ausgewählte AF-Messfeld, das im Sucher angezeigt wird. Bei einer Nikon D7000 sieht das wie in der Abbildung unten aus (2).

Af Feld im Sucher AF-Messfeld im Sucher einer Nikon D7000.

Wenn man mit Live-View arbeitet (was man mit einer Kompaktkamera in der Regel so gut wie immer macht), dann wird auch hier in der Regel am Display ein Rahmen angezeigt, in dem die Kamera versucht die Schärfe zu ermitteln.

AF Messfeld am Display AF-Messfeld am Display einer Canon Powershot S95. Die grüne Farbe signalisiert, dass die Kamera scharf gestellt hat.

Die Position von AF-Messfeldern lässt sich in der Regel verändern.

Multifunktionswaehler D7000 Durch Kippen des Multifunktionswählers lässt sich bei Nikon-Kameras die Position des AF-Messfeldes verschieben. Das gilt sowohl für Live-View als auch für das Messfeld im Sucher.
Multifunktionswaehler G12 Einstellrad einer Canon Powershot G12. Die Bedienung ist im Grunde identisch mit Nikon und auch andere Hersteller nutzen dieselben Konzepte.

Verschiedene Messsysteme | Da Live-View und Sucher in der Regel nicht dieselben Messsysteme nutzen, ergeben sich in der Praxis spürbare Unterschiede bei der Arbeit. So ist zum Beispiel das Messsystem, das bei der Arbeit mit dem Sucher ­arbeitet, bei den meisten SLR-Kameras deutlich flotter, als das Messsystem in Live-View-Modus. Wenn es also rasant zur Sache gehen muss, dann sind Sie mit dem Sucher besser beraten. Auch das ist ein Punkt, bei dem SLRs gegenüber Kompaktkameras punkten können.

Live-View hat allerdings auch Vorteile. Dazu gehört zum Beispiel, dass man die AF-Messfelder bei der Arbeit mit dem Messsystem des Suchers nicht bis in den Randbereich des Bildfeldes verschieben kann. Bei Live-View hingegen lässt sich das Messfeld meist stufenlos bis in die letzte Ecke verschieben.

Ein Problem stellt der eingeschränkte Bewegungsspielraum der AF-Messfelder im Sucher vor allem dar, wenn man Leute vom Scheitel bis zur Sohle porträtieren möchte.

Messfelder im Sucher Selbst aufwändige Messsysteme für den Autofokus bei der Scharfstellung mit dem Sucher, erlauben es nicht die Messfelder bis an den Rand zu verschieben.

Natürlich kann der Fotograf die Kamera schwenken, durch Drücken des Auslösers zum ersten Druckpunkt die Schärfe messen, und dann den Bildausschnitt neu komponieren. Aber bei ganzen Serien von Bildern, wie bei Modell-Shootings, ist das meist etwas aufwändig und erlaubt kaum wirklich rasche Serien. Außerdem führt bei extrem kurzen Schärfentiefen oft schon leichtes Kippen zu einer Verlagerung des Schärfepunktes und dann liegt der Fokus gar nicht mehr exakt dort wo man ihn gemessen hat. Generell sollte man deshalb bei Situationen, wie in der Abbildung oben, nicht mit dem mittleren Fokuspunkt messen und neu komponieren, sondern zumindest das Messfeld nutzen, das dem gewünschten Fokuspunkt – hier den Augen – am nächsten ist.

Manuelle Fokussierung und Fokusindikator

Arbeitet man mit manueller Fokussierung braucht man an Nikon-Kameras auf die Hilfe des Fokusmesssystems nicht zu verzichten. Mit dem Fokusindikator im Sucher wird auch im manuellen Modus angezeigt, ob die Kamera die Scharfstellung für korrekt hält oder nicht. Es geht sogar noch einen Schritt weiter: Der Fokusindikator zeigt sogar nicht nur an ob die Schärfe stimmt, sondern auch ob der Fokus davor oder dahinter liegt, wenn er im Messfeld nicht stimmt.

Fokusindikator Fokus vorne Der Fokusindikator (3) zeigt an ob der Bereich im Fokusmesseld (4) scharf ist oder nicht. Hier zeigt der Fokusindikator an, dass die Schärfe zu weit vorne liegt.
Fokusindikator Fokus hinten Hier zeigt der Fokusindikator (5) an, dass der Fokus zu weit hinten liegt.
Fokusindikator Fokus korrekt Hier zeigt der Fokusindikator (6) an, dass der Bereich im Fokusmessfeld scharf ist.

Da ich selbst mit Nikon fotografiere kann ich nicht sagen in wie fern andere Hersteller vergleichbare Funktionen haben. Ich gehe aber auch hier davon aus, dass bei Canon, Olympus & Co eine identische Möglichkeit zu finden ist. Für sachdienliche Hinweise bin ich – und wahrscheinlich noch viel mehr die Leser dieses Artikels – dankbar.

AF-Sensoren

Lassen wir Live-View wieder außen vor und konzentrieren wir uns auf das, womit die meisten ambitionierten Fotografen arbeiten: Mit dem Sucher.

Die Messfelder, die bei der Arbeit mit dem Sucher eingesetzt werden, trennen sich in der Regel in zwei Gruppen: Einfache AF-Sensoren sind nur für Kontraste in einer bestimmten Richtung sensibel. Das heißt sie sind entweder in der Lage auf Strukturen mit horizontalen Linien scharf zu stellen, oder auf Strukturen die vertikale Linien enthalten. Im Gros der ›Scharfstellsituationen‹ ist das nicht weiter von Bedeutung. Die meisten Punkte, auf die man scharf stellt, beinhalten sowohl vertikal als auch horizontal ausgerichtete Kontraste. Auch diagonale Linien stellen kein Problem dar. Möchte man hingegen mit einem einfachen AF-Sensor, der für horizontale Linien sensibel ist, auf ein Muster aus ausschließlich vertikalen Linien fokussieren, gelingt das der AF-Elektronik nicht. Sie wird ein paarmal in die Ferne und zurück in den Nahbereich scharf stellen und dann W.O. geben.

Kreuzsensoren | Die andere Art der AF-Sensoren sind sogenannte Kreuzsensoren, die sowohl mit horizontalen, wie auch mit vertikalen Strukturen klar kommen. Solche Sensoren sind natürlich besser und es wäre schön, wenn nur solche zum Einsatz kämen. Aber wie üblich ist das Schöne auch das Teurere, weshalb die meisten Kamerahersteller aus einen Mix aus einfachen und Kreuzsensoren setzen. Meist liegen die Kreuzsensoren in der Mitte und die einfachen im Randbereich.

Ob ein Sensor, des AF-Systems (moderne SLRs haben meist 9, 11, 39 oder 51 Messfelder), ein einfacher oder ein Kreuzsensor ist, und wenn er einfach ist, ob er auf horizontal oder vertikal reagiert, lässt sich leicht herausfinden. Man sucht sich einfach ein Motiv, das ausschließlich Linien in einer Richtung zeigt. Die meisten Radiatoren haben Rippen in vertikaler Richtung und erzeugen eine solche Struktur. Mit Kreuzsensoren können Sie scharf stellen, ob sie die Kamera Quer- oder Hochformat halten. Ist ein Sensor nur für horizontale Linien ausgerichtet, kann die Kamera im Hochformat nicht scharf stellen. Ist ein Sensor nur für vertikale Linien ausgerichtet, kann die Kamera im Querformat nicht scharf stellen.

Titel Der Inhalt dieser Online-Fotoschule ist in erweiterter Form auch als Buch erhältlich:
»Kreativ fotografieren – Digitalfotografie verständlich erklärt«
Books on Demand, 1. Auflage Oktober 2011;
240 Seiten, in Farbe, Hardcover;
ISBN: 9783842373938;
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Antworten

  1. hallo herr wäger,
    danke für ihre tolle seite, ich werde mir auch ihr buch demnächst bestellen. ich bin noch nicht so ganz vertaut mit den af-systemen meiner nikon d610 und hätte daher eine frage: warum lässt sich im live viwe modus bei meiner d 610 das af auswahlrechteck nirgendwohin verscheiben sondern steht starr in der mitte? mit den kipptasten bei der ok taste ist es nicht verschiebbar, auch nicht mit einem wählrad. was kann das sein?
    vielen dank für die info!!! lg heike

    1. Hallo Heike,
      ich hätte spontan nur die Idee, dass der Hebel um die Wippe auf der Rückseite auf L (Lock) steht. Dann dürften sich die AF-Felder im Sucher aber auch nicht mehr verschieben lassen.
      Schöne Grüße
      Markus

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