Wieso manche Fotografen »fremde« Systeme schlechtreden

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23. Dezember 2015
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6 Kommentare

Ich habe wieder einmal ein Mail erhalten dessen Antwort mir für einen Artikel interessant zu sein scheint:

»Wieso gibt es eigentlich immer soviel Unmut über die diverse Kameramodelle, obwohl Viele gerne damit fotografieren? Man ist regelrecht überfordert, wenn man die Beiträge zu den MFT-Kameras liest. Gerne würde ich die OM-D E M5 kaufen, aber man rät mir von verschiedenen Seiten davon ab. Das hohe Rauschverhalten gibt hier wohl den Ausschlag.«

Das Schlechtreden anderer Systeme dient nach meiner Meinung bei den meisten Fotografen in erster Linie dazu sich das eigene System schönzureden – sich selbst zu bestätigen, dass man die besten Wahl getroffen hat. Meist wird dabei auf Basis von Nicht- und Halbwissen argumentiert, Argumente die das eigene System besser aussehen lassen werden in den Vordergrund gerückt, Nachteile des eigenen Systems ausgeblendet und ignoriert.

Leute die sich wirklich mit der Technik auskennen haben meist einen differenzierteren Blick und werden wohl nur selten von einem System als Ganzes abraten, auch wenn Kritik an Details immer angebracht ist und es sehr wohl Modelle gibt die tatsächlich keine Kaufempfehlung wert sind.

Jedes System, jede Marke hat Vor- und Nachteile, Stärken und Schwächen. Das System das in jeder Beziehung das beste ist gibt es nicht. Ich habe den Vergleich schon oft strapaziert: Ein Geländewagen und ein Sportwagen sind für zwei verschiedene Einsatzzwecke gedacht – da ist nicht das eine Konzept besser als das andere!

Geht es um die Qualität muss jeder selbst entscheiden ob MFT für die eigenen Anforderungen ausreichend ist. Dass ein Kleinbildsensor mehr zu leisten in der Lage ist steht außer Frage, auch in Sachen Rauschverhalten. Allerdings sind die Unterschiede, abgesehen von extremen Anforderungen, eher theoretischer Natur – im Labor messbar, in der Praxis nicht sichtbar.

Eine Einsteigerkamera wie die Olympus Pen E-PL7 um knapp 350 Euro steckt heute eine Nikon D700, die vor wenigen Jahren Maßstäbe in professioneller Abbildungsqualität setzte, sowohl bei der Auflösung als auch beim Rauschen ganz locker in die Tasche. Wieso soll plötzlich inakzeptabel sein was vor wenigen Jahren das professionelle Maß der Dinge war?

Natürlich leistet eine Kleinbildkamera bei Auflösung und Rauschen mehr als eine MFT-Kamera. Doch wenn maximal erreichbare Abbildungsqualität und Auflösung tatsächlich das alleinige Kriterium für den Kauf einer Kamera ist, dann muss ich in letzter Konsequenz wohl zu einer Phase One Mittelformat oder einer Leica S greifen.

Alle Systeme haben Vor- und Nachteile. Es gilt Prioritäten zu setzen und zu definieren welche Eigenschaften für einen selbst wichtig sind. Wenn es ausschließlich Auflösung und Rauschfreiheit ist – sei’s drum. Es spricht nichts dagegen Spaß am Pixelzählen zu haben. Für mich lautet die Frage aber nicht wie viel Qualität kann ich erreichen, sondern wie viel brauche ich! Und wenn ich da alle Pros und Contras untereinander schreibe und einen Strich unter die Gleichung mache, dann ergibt sich für mich MFT als das ideale System. Es wäre aber kompletter Unsinn meine Gleichung auf irgendeinen anderen Fotografen übertragen zu wollen. Also einfach Ohren zuklappen wenn Leute versuchen genau das zu tun.

Zu den Details der Vor- und Nachteile von MFT habe ich schon einige Artikel geschrieben – eine Suchabfrage findet alles was es auf meiner Seite rund um MFT zu lesen gibt.

Antworten

  1. … ind noch ein paar Worte. Die an Grippe erkrankten (Influenza) sollten sich unter der Decke verstecken… MFT ist schon vom Prinzip her eine geniale Sache. Spegellos nach vorne und vor allem schnell im kompakten Maß. Wenn man dann so hört welche Argumente vorgetragen werden, ist Schluss mit lustig. Unterm Strich zählt die Aussagekraft des erstellten Fotos. Das wird zu oft schlichtweg nicht gesehen.
    MFT Kameragröße ist auch relativ zu sehen. GH6, G9 mit Akkugriff und Oly em1x haben allerdings die vermisste Griffigkeit von Grobmotorikern, einer wie ich bin, die die Kamerahaltung besser ausüben können. Es liegt in der Sache dass sich optische Gesetzmäßigkeiten nicht eben verbiegen lassen. Hinzu kommt die Werbeunterstützung von Egal welchem Hesrteller…. Man sägt nicht den Ast auf dem man sitzt. Neutralität zu bewahren ist schon ein anstrengender Job…
    Die Freude am Fotoresultat wird durch weiter bestehende Nickeligkeiten getrübt. Schade!!!

  2. Den Ausführungen kann ich nur zustimmen, aber sie geben meiner Meinung nach nur einen Teil der Gründe wieder.
    Zum einen ist der allgemeine Trend in der Gesellschaft das Betonen von Schwächen und Unzulänglichkeiten. „Ja, schön, aaaaber…“ ist der oft gehörte Ausdruck. Wenn es irgend etwas Innovatives gibt, wird sofort das Haar in der Suppe gesucht, das dann als Negativlabel dem Produkt angehängt werden kann. So ergeht es auch dem FT-Konsortium, das sofort auf „Zwergensensor“ usw. reduziert wird, ohne auch nur im mindesten über mögliche Vorteile nachzudenken.
    Zum anderen wird die Meinung über ein Produkt künstlich geformt. Da wären die (bezahlten) Negativkommentare im Internet und das symbiotische Verhältnis zwischen Industrie und Presse. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Inserenten sind lebensnotwendig für Zeitschriften, wer am meisten inseriert wird natürlich bejubelt. So wird ein Meinungsbild erzeugt, das nicht den eigentlichen Gegebenheiten entspricht.
    Eines gibt mir Hoffnung. Olympus sponsert nicht nur das Fotofestival Zingst, es veranstaltet auch den Photography playground, obwohl dieser einen großen Teil des Werbeetats auffrisst. 2014 war ich zweimal in Berlin auf dieser Veranstaltung. Trotz großer Hitze waren jedes mal lange Schlangen von geduldig wartenden und meist jungen Leuten, die eine Leih-EM10 selbst ausprobieren wollten. Vielleicht fiel diese Saat auf fruchtbaren Boden und ließ eine kritischere Haltung zur „Schlechtmacherei“ wachsen.

  3. Ich würde sogar sagen, die Leute, die immer nur über Kamerasysteme streiten, haben nicht verstanden, worum es bei der Fotografie wirklich geht. Eine Kamera ist immer nur ein Werkzeug, das zur Aufgabe passen muss und das ich bedienen kann. Mal ganz abgesehen davon, gibt es meiner Meinung nach keine schlechten Kamerasysteme mehr…

  4. Ich nutze ja selber sehr gerne die Olympus MFT-Kameras… aber …. ich bin viel bei Konzerten unterwegs. Da kann MFT leider noch nicht mithalten. Wenn ich sehe, welchen Dynamikumfang meine D750 hat, das sucht schon seinesgleichen und da hat MFT keine Chance. Bilder, die an sich gut belichtet sind, kommen aber tatsächlich gleichwertig raus. Das ist bei Konzerten aber leider sehr schwer. Auf Grund der oft miesen Beleuchtung muss ich hier sehr viel im Nachhinein am Kontrast und der Helligkeit drehen. MFT, wie gesagt, geht hier schnell in die Knie. Bei der D750 sind da enorme Reserven da.

    Trotzdem bleibe ich gerne bei Dir: für die meisten Fotografen ist das MFT-System mehr als ausreichend.

    1. Danke für dein Feedback. Das sind genau die Dinge die ich mir überlegen muss: Fotografiere ich Landschaft auf professionellem Niveau haben die 36MP einer D800/D810, die 42MP einer Sony A7RII oder auch 80MP einer Mittelformatkamera durchaus Sinn. Ebenso ist exzellentes Rauschverhalten wichtig für alle die häufig unter schwierigen Lichtbedingungen ein Maximum aus ihren Bildern rausholen müssen. Nikon ist quasi legendär dafür exzellentes Rauschverhalten und enormen Kontrastumfang aus ihren Kameras rauszuholen und da kann die Physik eines kleineren Sensors noch immer nicht mithalten und wahrscheinlich nie (wobei die Technik mittlerweile viel möglich macht was vor wenigen Jahren »noch nie« möglich schien).

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