2.11. Bewegungsunschärfe

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6. Mai 2011
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Fotoschule onLine - Kreative Digitalfotografie verständlich erklärt

Unschärfe durch Bewegung kann in Fotos im Wesentlichen zwei Ursachen haben: Entweder die Kamera bewegt sich – zum Beispiel weil sie unruhig gehalten oder erschüttert wird – oder das Motiv bewegt sich.

Unschärfe die durch Vibration, Zittern oder Erschütterung der Kamera zustande kommt, bezeichnet man als Verwackeln – darüber werden wir uns im Kapitel über ›Belichtung‹ ausführlicher unterhalten. Unschärfe, die durch Bewegung des Motivs zustande kommt, bezeichnet man als Bewegungsunschärfe. Bewegungsunschärfe ist ein gutes Mittel, um Aufnahmen mehr Dynamik und Lebendigkeit zu verleihen.

Bewegungsunschärfe versus Einfrieren

Das normale Ziel beim Fotografieren ist das Einfrieren des Motivs. Vom Standpunkt der technischen Umsetzung sollen Fotos vor allem scharf sein. Unschärfen sind unerwünscht.

Eingefroren

Die Landung der Möwe im Wasser ist in einem Sekundenbruchteil eingefroren. Die Belichtungszeit betrug 1/1600 Sekunde.

Bewegungsunscharf

1/200 Sekunde ist deutlich zu ­lange, um die Bewegung der Katze im Sprung einzufrieren.

Bewegungsunschärfe ist grundsätzlich und technisch betrachtet zunächst einmal ein fotografischer Fehler.

Statische Objekte wie Steine, Gebäude oder Felsen werden immer eingefroren auf einer Aufnahme erscheinen. Was sich bewegt hingegen wird in Bewegungsunschärfe abgelichtet, wenn die Belichtungszeit so lange ist, dass das Objekt innerhalb dieser Zeit seine Position verändert. Bei einer Schnecke müsste die Belichtungszeit natürlich immens lange sein. Doch schon das Fotografieren eines Morgenhimmels mit einer Belichtungszeit von wenigen Sekunden kann dazu führen, dass Wolken nicht mehr scharf, sondern bewegt und somit verwischt aufgenommen werden.

Wolken

Aufnahme mit SLR und ­Stativ. Belichtungszeit: 30 Sekunden. Die Bewegung des Wassers ist durch die lange Belichtung zu einer glatten, nebligen Fläche ­verschmolzen. Das Ziehen der Wolken hat zu Bewegungsunschärfe geführt.

Möchten Sie einen Sportler beim Laufen ablichten, einen rennenden Hund, ein galoppierendes Pferd oder einen rasenden Sportwagen, dann muss die Belichtungszeit kurz gehalten werden, um die Bewegung einfrieren zu können. Pauschale Werte für die Belichtungszeit um Bewegung einzufrieren, lassen sich nicht festlegen. Träge dahinziehende Wolken lassen sich in der Regel auch mit einer Belichtungszeit von einer Sekunde, und sogar noch mehr, einfrieren. Bei einem vorüberfahrenden Auto wäre das aber viel zu lang. Für herumtollende Hunde mag 1/500 Sekunde kurz genug sein. Für einen Rennfahrer aber kann eine 1/1000 Sekunde bereits zu lang sein. Zwar liegt man mit 1/1000 Sekunde meist schon auf der relativ sicheren Seite, aber für einen vorbei zischenden Falken oder um den Flügelschlag eines Kolibris einfangen zu können, wird man noch deutlich kürzer belichten müssen.

Einfrieren2

Hier ist das Einfrieren des Flügelschlags der Ente nicht ganz geglückt. Die Lichtsituation und Entfernung zum Motiv verlangte eine Belichtungszeit von 1/250 Sekunde. Eine kürzere Belichtungszeit hätte zu Unterbelichtung geführt.

Hund

Der Hund wurde mit einer Belichtungszeit von 1/2000 Sekunde in seiner Bewegung eingefroren. Schwachpunkt: Die geringe Abblendung auf ƒ1.4 führte zu einer sehr kurzen Schärfentiefe, was den Hund zwar schön vom Hintergrund freistellt, allerdings auch dazu geführt hat, dass Schwanz und Hintern scharf sind, der Kopf aber bereits relativ unscharf. Schöner wäre es ge­wesen, wenn der schärfste Punkt dort liegen würde.

Beim Gros der Aufnahmen wird wohl das Einfrieren von Bewegungen das Ziel sein. Wer kennt sie schließlich nicht, die Bilder die einen in ein Glas Wasser fallenden Eiswürfel zeigen und bei denen jeder aus dem Glas fliegende Tropfen so scharf wie zur Glasskulptur erstarrt abgebildet ist. Solche Bilder benötigen in der Regel viel Licht (Blitz) und extrem kurze Belichtungszeiten. Die Bewegung scheint im Bruchteil einer Sekunde eingefroren zu sein.

Bewegte Motive, die völlig frei von Bewegungsunschärfe abgebildet sind, vermitteln aber oft auch den Eindruck völlig statisch und unbewegt zu sein.

Möchte man tatsächlich dynamische Bewegung vermitteln ist Bewegungsunschärfe das beste Mittel dazu. Ein schönes Beispiel ist die Aufnahme des Roadsters in der Kurve. Diese Aufnahme habe ich mit einem Teleobjektiv vom Beifahrersitz eines vorweg fahrenden Cabrios gemacht. Das abgebildete Fahrzeug hat die Kurve zügig genommen, doch auf dem Bild ist diese Bewegung kaum spürbar. Würde nicht die leichte Neigung des Fahrzeugs und die Körperhaltung der Fahrerin zeigen, dass hier Fliehkräfte im Spiel sind, könnte man auf den ersten Blick fast glauben das Auto stünde in der Kurve. Die gewählte Belichtungszeit hat zwar geholfen den Roadster scharf abzubilden, doch den Eindruck der Bewegung wird dadurch nicht herüber gebracht. Eine längere Belichtungszeit hätte vielleicht in der Serie viele verwackelte Resultate ergeben, aber bei genügend Aufnahmen wären auch genügend Resultate zu erreichen gewesen, bei denen der Wagen scharf, der Hintergrund und die Rotation der Räder jedoch mit einer deutlichen Unschärfe auf das Bild gekommen wäre.

Speedeffekt

Aufnahme eines Sportwagens in voller Fahrt, aufgenommen vom Beifahrersitz eines voran fahrenden Cabrios. Der Hintergrund zeigt etwas Bewegungsunschärfe und auch das Drehen der Räder hat dazu geführt, dass hier Bewegungsunschärfe entsteht. Doch der Effekt ist sehr gering ausgefallen. Beinahe wirkt es als würde der Roadster ganz langsam um die Kurve schleichen.

Speedeffekt bearbeitet

In diesem Bild habe ich den Unschärfeeffekt, der normalerweise durch rasche Bewegung entsteht, mit digitalen Mitteln in Photoshop erzeugt. Die Aufnahme wirkt bedeutend ­dynamischer – hier scheint der Roadster echt mit Speed durch die Kurve zu flitzen.

Bewegungsunschärfe und Belichtungszeit

Ein klassisches Motiv für bewusst eingesetzte Bewegungsunschärfe ist Wasser. Bäche und Wasserfälle zum Beispiel, bei denen die Bewegung erst durch das Verwischen der Fließbewegung richtig spürbar wird. Bei noch relativ kurzen Belichtungszeiten wirkt diese Bewegung oft hektisch und quirlig. Wird die Belichtungszeit verlängert, scheint die Bewegung immer fließender, geschmeidiger und weicher zu werden.

Bewegteswasser

Dieses Bild habe ich mit einer Nikon D80 und Stativ bei 3 Sekunden Belichtungszeit aufgenommen. Die Bewegung des Wasser verschmilzt zu etwas, das aussieht wie Nebel.

Allerdings sind Belichtungszeiten von mehreren Sekunden für das verwischen von Bewegungen am helllichten Tag meist kaum zu erreichen. Selbst bei kleinster Blendenöffnung ist die Lichtmenge zu intensiv um ausreichend lange Zeiten zu erlauben. Behelfen kann man sich in solchen Fällen mit sogenannten Grau­filtern, die vor das Objektiv geschraubt werden und die die durchgelassene Lichtmenge deutlich reduzieren können – eine Art Sonnenbrille für die Kamera.

Polarisationsfilter | Gute Filter sind teuer, gerade wenn man Objektive mit großem Durchmesser verwendet. Billige Filter um ein paar Euro sind jedoch kaum eine Option, wenn man mit guten Objektiven arbeitet. Landschaftsfotografen kommen um eine Grundausstattung an verschiedenen Grau- und Grauverlaufsfiltern kaum herum. Doch nicht jeder möchte und muss möchte seine Kameraausrüstung um mehrere Hundert Euro um teure Filter erweitern. Einen Filter kann ich jedoch nur wärmstens Empfehlen: Den Polarisaitonsfilter, kurz Polfilter.

Polarisationsfilter

Der Polarisationsfilter besteht aus zwei übereinander liegenden Gläsern, die getönt erscheinen. Durch drehen am Rand des Filters kann man die beiden Gläser zueinander verdrehen.

Polarisationsfilter bestehen aus zwei Gläsern die übereinander liegen und spezielle Eigenschaften haben. Wird einer der Beiden gedreht, so dass er in einem anderen Winkel über dem Anderen zu liegen kommt, verändert sich die Durchlässigkeit von Lichtwellen und man kann aus glatten Oberflächen Spiegelungen entfernen. Als Beispiel habe ich einen klaren UV-Filter herangezogen, zwei Würfel dahinter platziert und eine Gummiente daneben gestellt. Ohne Korrektur mit einem Polarisationsfilter ist das Glas etwas milchig und die Ente spiegelt sich.

Spiegelung

Zwei Würfel durch einen UV-Filter (klares Glas) fotografiert. Die Ente spiegelt sich im Glas.

Für eine zweite Abbildung habe ich so lange am Polarisationsfilter gedreht, bis die Spiegelung verschwunden ist und das Glas völlig klar wurde.

Entspiegelt

Durch Drehen am Polarisations­filter lässt sich die Spiegelung ­entfernen und das Glas wird klarer.

Meist brauche ich diesen Filter, wenn ich Leute im Fond eines Wagens durch die Windschutzscheibe fotografieren will. So wäre die Fahrerin in der Abbildung mit dem Roadster weiter oben ohne Polarisationsfilter nur schemen­haft hinter einem kräftigen Lichtreflex zu erkennen. Außerdem lassen sich mit ihm auch Spiegelungen und Lichtreflexe auf lackierten Oberflächen ausblenden.

Darüber hinaus hat der Polarisationsfilter auch eine deutliche Auswirkung auf blauen Himmel bei strahlendem Wetter. Man kann mit ihm das Blau noch tiefer und satter machen. Allerdings nimmt er auch viel Licht weg und derselbe Effekt lässt sich durch Nachbearbeitung am Computer ebenso erzeugen (im Gegensatz zu Spiegelungen und Reflexe auf Glas und glatten Oberflächen: wann man diese nicht mit einem Polfilter wegfiltert, dann hat man in der Bildbearbeitung kaum eine Chance sie weg zu bekommen).

Die Reduzierung der Lichtstärke durch den Polarisationsfilter schließt wieder den Kreis zum Graufilter. Zwar nimmt ein Polarisationsfilter nicht so viel Licht weg wie ein Graufilter, aber längere Belichtungszeiten lassen sich mit ihm auch erreichen. Deshalb ist es mit ihm durchaus möglich Belichtungszeiten auch unter Tags soweit auszudehnen, dass die Bewegungen von Gewässern verschwimmen können, wie in der Abbildung des Bachs weiter oben. Zumindest wenn das Tageslicht nicht zu kräftig ausfällt.

UV-Filter | Da wir gerade beim Thema sind: Oft wird empfohlen seine Objektive mit einem klaren UV-Filter gegen mechanische Einwirkungen zu schützen. Aber wenn man Geld für gute Objektive mit gutem Glas ausgibt, dann sollte deren Leistung nicht mit einer Fensterscheibe vorne drauf untergraben. Wenn man schon glaubt seine Linsen unbedingt mit einem UV-Filter schützen zu müssen, sollte man wenigstens den Besten nehmen, den man bekommen kann. Doch wie auch bei andere Filter, sind auch für UV-Filter schnell einmal hundert Euro oder sogar noch mehr fällig.

Deutlich besser geschützt sind Objektive in der Regel durch die Streulichtblende. Diese verhindern nicht nur unerwünschte Lichtreflexe und Geisterbilder in den Linsen und somit im Bild, sondern schützen die Frontlinse im Zweifelsfall besser als jede UV-Linse. Für die wichtigsten Objektive habe ich dennoch UV-Filter in meiner Fototasche. Ich setze sie allerdings nur auf, wenn es besonders widrige Bedingungen gibt. Zum Beispiel wenn ich an einem windigen Tag in sandiger Umgebung unterwegs bin. Bläst der Wind stark, dann spürt man oft sogar die Sandkörnchen unangenehm im Gesicht und auf der Haut. Diese Form der Sandstrahlung will ich teuren Linsen nicht zumuten und Streulicht­blenden helfen da nur wenig. Also kommt in diesen Situationen der UV-Filter zum Einsatz.

Fliessendwasser

Es muss nicht immer eine Spiegelreflexkamera sein. Dieses Bild habe ich mit der Kompaktkamera Canon Powershot S95 und Stativ aufgenommen. Die Lage des Bachs im Wald und die hereinbrechende Dämmerung haben geholfen. Unter Tageslichtbedingungen wären ausreichend kurze Belichtungen nicht möglich gewesen. Für Kompaktkameras gibt es kaum Grau- oder Polfilter und während man bei SLRs je nach Objektiv die Blende bis auf ƒ22, ƒ32 oder sogar noch weiter schließen kann um längere Belichtungszeiten zu erzwingen, ist der Spielraum bei Kompakten in der Regel bedeutend geringer. So beträgt zum Beispiel die maximale Abblendung bei der S95 ƒ8.0!

Programmautomatiken tendieren zum Einfrieren

So lange Sie sich auf die Belichtungsautomatik einer Kamera verlassen, wird diese versuchen möglichst scharfe und unverwackelte Bilder zu belichten. Kameras kennen keine ­kreativen Ideen zur Bildgestaltung. Sie haben vor Allem ein Ziel: Bilder aufzunehmen, die vom Standpunkt der technischen Umsetzung als optimal gelungen betrachtet werden können.

Während der kreative Fotograf zuerst die Brennweite für die perspektivische Wirkung wählt, dann mit der Blende die Schärfentiefe bestimmt und anschließend Korrekturen für eine optimale Belichtung vornimmt, steuert die Kamera über die Blende die Belichtung, wobei die Programme die Brennweite mit berücksichtigen (längere Brennweite = kürzere Belichtunszeit).

Schärfentiefe ist in diesem Zusammenhang mit der Programmautomatik für die Belichtung tendenziell ein Zufallsprodukt oder zumindest keine bewusste kreative Entscheidung. Da die Automatik also in der Regel kurze Zeiten bevorzugt, wird das auch meist zum Einfrieren von Bewegungen führen. Möchte man kreativ mit Einfrieren und Bewegungsunschärfen umgehen, kommt um die Arbeit mit manuellen Einstellungen gar nicht herum.

Titel

Der Inhalt dieser Online-Fotoschule ist in erweiterter Form auch als Buch erhältlich:
»Kreativ fotografieren – Digitalfotografie verständlich erklärt«
Books on Demand, 1. Auflage Oktober 2011;
240 Seiten, in Farbe, Hardcover;
ISBN: 9783842373938;
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