2.6. Lichtwert und Offenblende

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1. April 2011
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Fotoschule onLine - Kreative Digitalfotografie verständlich erklärt

Wie zuletzt beschrieben halbiert beziehungsweise verdoppelt ein ganzer Blendenschritt die Lichtmenge. Einen Schritt, der zu einer Verdoppelung oder Halbierung der Lichtmenge führt, bezeichnet man als ›1 Lichtwert‹ (1 LW).

Lichtwert

Im Fotografenjargon heißt es statt dessen oft »belichte doch hier einmal eine Blende länger« oder »reduziere die Belichtung einmal um zwei Blenden«. Damit will der Fachmann nicht unbedingt zum Ausdruck bringen, dass wir zwingend die Blende verändern müssen. Er meint lediglich, dass eine Belichtungs­einstellung, die die Lichtmenge halbiert (eine Blende) oder viertelt (zwei Blenden), in dieser Situation von Vorteil wäre. Ob diese Einstellung über Anpassung der Blende, über Belichtungszeit oder ISO-Empfindlichkeit vorgenommen werden soll, ist damit nicht zwingend ausgesagt.

Einmal mehr bevorzuge ich die klare Aussage und spreche lieber von »Lichtwert heller« und »Lichtwert dunkler« belichten. Blickt man im manuellen Belichtungsmodus einer Kamera durch den Sucher und tippt den Auslöser leicht an, denn erscheinen verschiedene Informationen. In der Regel ist dabei auch eine Skala, wie in der Abbildung unten, dargestellt.

Nikon sucher Die Belichtungsskala im Sucher einer Nikon D7000. Auf der Seite mit dem + befindet sich Über-, auf der Seite mit dem – Unterbelichtung. Die Skala zeigt an, dass eine Unterbelichtung von –1 LW vorliegt.

In der Mitte dieser Skala befindet sich der 0-Punkt (3) der die optimale Belichtung kennzeichnet (oder das, was die Kamera für das aktuelle Motiv für eine optimale Belichtung hält). Unter (1) oder neben der Skala (bei anderen Kameras wird die Skala nicht wie bei Nikon unten, sondern seitlich angezeigt) wird angezeigt um wie viele Lichtwerte bei der eingestellten Kombination aus Blende, Zeit und Empfindlichkeit unter- beziehungsweise überbelichtet würde. Die Punkte (2) stellen ganze Lichtwertschritte (Blendenschritte) dar.

Im Beispiel oben zeigt die Skala eine Unterbelichtung von einem Lichtwert an (4). Für eine optimale Belichtung müsste ich nun die Blende um einen ganzen Schritt öffnen, beispielsweise von ƒ8 auf ƒ5.6. Oder die Belichtungszeit verdoppeln. Oder die Empfindlichkeit verdoppeln.

Dasselbe gilt meist auch für das Display einer Kompaktkamera oder einer SLR im Live-View-Modus.

Belichtungskorrektur 1 Das Display der Canon PowerShot hier zeigt Unterbelichtung – auf der linken und Überbelichtung + auf der rechten Seite an. Der grüne Punkt zeigt an, dass eine Unterbleichtung von –1 LW vorliegt.

Für den Moment wollen wir das Thema der Belichtung nicht weiter vertiefen, denn wir werden es in den Artikeln zum 3. Schritt, Belichtung, ausgiebig damit beschäftigen. Im Moment bewegen wir uns auf das eigentliche Kernthema des Themas Schärfe zu, nämlich der Schärfentiefe, die sich ganz wesentlich mit der Blende beeinflussen lässt. Für den Moment ist vor allem von zentraler Wichtigkeit, dass ein ganzer Lichtwert alles ist, was die Lichtmenge verdoppelt oder halbiert, egal ob das durch einen ganzen Blendenschritt, durch Veränderung der Zeit oder Veränderung der Empfindlichkeit geschieht.

+1 Lichtwert verdoppelt,
–1 Lichtwert halbiert
die Lichtmenge.

Offenblende und Lichstärke

Die größtmögliche Blendenöffnung unterscheidet sich von Objektiv zu Objektiv. Die maximale Blendenöffnung wird als Offenblende bezeichnet. Die maximale Blendenöffnung definiert die Lichtstärke von Objektiven. Lichtstarke Objektive sind deutlich teurer als eher lichtschwache. Der Name Lichtstärke spricht schon einen wesentlichen Punkt dessen an, was mit einer größeren Blendenöffnung möglich ist: Das Objektiv lässt mehr licht durch und deshalb kann man damit noch fotografieren, wenn es für lichtschwächere nicht mehr reicht. Das ist aber nur ein Vorzug lichtstarker Objektive. Der andere hat mit dem Thema dieses Abschnitts zu tun: Der Schärfe. Durch die Blendenöffnung lässt sich die Schärfentiefe beeinflussen. Je größer ich an einem Objektiv die Blende aufreißen kann, desto kürzer fällt die Schärfentiefe aus. Mehr Lichtstärke bedeutet demnach also auch mehr kreativen Spielraum im Umgang mit Schärfentiefe. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Blende f22 Blende ƒ22 mit dem Sigma 24mm ƒ1.8 sorgt selbst auf kürzeste ­Distanz noch für relativ große Schärfentiefe.
Blende f1 8 Man kann aber mit demselben ­Objektiv auf dieselbe Distanz mit Blende ƒ1.8 ein sehr viel luftigeres Bild gestalten und die Aufmerksamkeit des Betrachters über den selektiven Schärfepunkt lenken.
Blende f5 6 Mit einem weniger Lichtstarken Objektiv und Blende ƒ5.6 verringert sich die Schärfentiefe zwar auch, aber der Unterschied zu Blende ƒ22 ist nicht mehr besonders ausgeprägt.

Lichtstarke Objektive mit großen Offenblenden erhöhen den kreativen Spielraum.

Aber aufgepasst beim Fotografieren mit Offenblende: Wer auf maximale Schärfe seiner Fotos Wert legt, sollte es vermeiden generell mit vollständig geöffneter Blende zu fotografieren. Objektive liefern nicht über den gesamten Bereich von Offenblende bis kleinster Blendenöffnung gleichbleibende Schärfe. Meist erhält man irgendwo im mittleren Bereich die maximale Abbildungsschärfe – zum Beispiel im Bereich von Blende 8. Sehr oft genügt aber auch schon ein geringeres Abblenden um deutlich schärfere Resultate zu erzielen – also zum Beispiel Blende ƒ4 statt ƒ2.8. In welchem Blendenbereich die maximale Abbildungsschärfe zu erzielen ist, unterscheidet sich von Objektiv zu Objektiv.

Um den Unterschied zu demonstrieren habe ich einmal meine zwei 50 mm Objektive einem Vergleichstest unterzogen.

1 8 1 8 1 4 1 4
1 8 8 1 4 2
Oben: Ein preiswertes 50mm 1.8 Objektiv bei Blende 1.8. Selbst im Zentrum der Linse fällt das Resultat verhältnismäßig flau und unscharf aus.
Unten: Die maximale Schärfe habe ich mit diesem Objektiv erst bei Blende ƒ8 erreicht.
Oben: Bei einem hochwertigeren 50mm ƒ1.4 ist das Resultat mit Offenblend ƒ1.4 zwar etwas kontrastreicher, als beim ƒ1.8 daneben, aber ebenfalls relativ unscharf.
Unten: Das 50mm 1.4 erreicht aber bereits bei Blende ƒ2 die Schärfe, die das 1.8 bei ƒ8 erzielt.

Ich muss zu den beiden Tests oben allerdings anmerken, dass mir keine Laborbedingungen für Kamera- und Objektivtests zur Ver­fügung stehen. Kompetentere Urteile über Kameraausrüstung findet man zum Beispiel bei dpreview.com.

Bei den meisten Objektiven muss man etwas abblenden um die maximale Schärfe zu erreichen.

Ich persönlich bin kein absoluter Schärfe-­Fetischist. Ich kann mich zwar durchaus für knackscharfe Abbildungen begeistern und gebe gute, scharfe Optiken auch etwas aus. Doch am Ende zählt für mich das Bild und nicht die Schärfe. Wäre ich allerdings Architektur- oder Landschaftsfotograf, würde ich das sicher anders sehen. In diesen Genres kommt es sehr wohl auf das letzte Quäntchen Schärfe in allen Ecken und Enden der Abbildung an. Schließlich will der Betrachter dieser Art von Fotografien oft jedes Detail erkunden – da kann man sich Unschärfe nicht leisten.

Der Inhalt dieser Online-Fotoschule ist in erweiterter Form auch als Buch erhältlich:
»Die kreative Fotoschule – Fotografieren lernen mit Markus Wäger«
Rheinwerk-Verlag 2015, 437 Seiten, gebunden, komplett in Farbe
ISBN 978-3-8362-3465-8
Buch: 29,90; E-Book: 24,90
Weitere Informationen und Demokapitel auf der Website des Verlags;
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